Dienstag, 10. März 2009

Watchmen - Die Wächter (2009)



Ganz selten kommt es vor, das ein Kunstwerk einen dermaßen gewaltigen Einfluss auf sein Milieu ausübt, das jenes fortan nicht mehr das gleiche sein sollte. Einen solch gewichtigen Stellenwert ist „Watchmen“ nicht abzusprechen, für Nerds kommt die umfangreiche Graphic Novel einer heiligen Schrift gleich. Und dann kommt Regie-Novize Zack Snyder daher und verfilmt dieses Meisterwerk, das von der New York Times als einziger Comic zu den 100 wichtigsten Büchern des 20. Jahrhunderts gezählt wird.

Die USA in den 1980er Jahren. Richard Nixon ist amtierender Präsident, der Kalte Krieg befindet sich auf einem Höhepunkt und eine nukleare Eskalation im Kräftemessen mit der Sowjetunion steht scheinbar kurz bevor. Zu dieser Zeit wird Edward Blake (Jeffrey Dean Morgan), genannt der Comedian, von einem Unbekannten ermordet. Blake gehörte einer alten Gilde von maskierten Verbrechensbekämpfern an, deren Aktivitäten einige Jahre zuvor verboten wurden, und arbeitete seit dem Verbot für die Regierung. Nicht so der verbitterte Rorschach (Jackie Earle Haley), der sich in den Untergrund zurück gezogen hat und von der Polizei gesucht wird. Rorschach vermutet eine Verschwörung hinter dem Mord an Blake und wendet sich an seine ehemaligen Kollegen, die unterschiedliche Wege eingeschlagen haben.

So hat sich der Millionär Dan Dreiberg (Patrick Wilson) nur schweren Herzens zurück gezogen und schwelgt nur allzu gern in Erinnerungen an eine aufregendere Zeit, in der er als Held auftreten und Menschen das Leben retten konnte. Laurie Jupiter (Malin Akerman) dagegen ist froh, diese Tätigkeit hinter sich gelassen zu haben, die sie nur ihrer Mutter zu Liebe ausgeübt hatte, da sie in deren Fußstapfen treten sollte. Laurie führt eine Beziehung mit Jon Osterman (Billy Cudrup), genannt Dr. Manhattan, der seit einem tragischen Unfall ungeheure Kräfte entwickelt hat und zu einer Art Übermensch mutiert ist. Osterman ist der einzige der Heldengruppe, der übernatürliche Fähigkeiten besitzt, entwickelt aber ein stärker werdendes Desinteresse für das Schicksal der Menschheit. Adrian Veidt (Matthew Goode) hat das Geheimnis um seine Identität schon vor dem offiziellen Verbot gelüftet und mit dem Ausverkauf seines Lebens ein Vermögen gemacht.

Als es zu einem gescheiterten Attentat auf Veidt kommt, scheinen sich Rorschachs düstere Vermutungen bestätigt. Ist jemand hinter den ehemaligen Helden her?



Nach dem Kinobesuch stellt sich hier die Frage, wer das künstlerische Scheitern des Films zu verantworten hat. Die Schuld sollte man in der Regel beim Regisseur suchen, doch Zack Snyder ist nur eingeschränkter Vorwurf zu machen. Viel eher stellt sich die Frage, warum der relativ unerfahrene Synder, der erst zwei Spielfilme inszeniert hat und dabei nicht um ordentliche Schelte von der Kritik herum kam, überhaupt mit einem solchen Schwergewicht vertraut wird. Handwerkliches Geschick, das ihn als ehemaliger Clip-Regisseur auszeichnet, soll ihm hier keinesfalls abgesprochen werden. Doch ganz ehrlich: Einen dermaßen komplexen, reichen und zu Recht kultisch verehrten Comic zu adaptieren, da bedarf es schon eines anderen Kalibers. Was hätte „Watchmen“ für ein Meisterwerk werden können, wäre der engagierte Regisseur eben kein aufstrebender, solider Handwerker (und selbst das nur mit Abstrichen) sondern ein echter Filmemacher mit Visionen, mit Mut zum Wahnsinn. Nun gut, es sollte nun einmal aus unerfindlichen Gründen Zack Snyder sein, ein Kind im erwachsenen Hollywood, das lieber seine Zeit mit kleineren Projekten verbringen sollte weil es eben noch die nötige Reife und Erfahrung braucht. Und ein Zack Snyder Film ist es schließlich auch geworden, auch wenn er verzweifelt so aussehen will wie die Vorlage von Alan Moore.

Es geht hier nicht darum, den Film zu bemängeln, weil er von der Vorlage abweicht oder „nicht so gut ist“ wie jene. So könnte man beispielsweise die extrem unterschiedliche Farbgebung vergleichen – im Gegensatz zur facettenreichen Kolorierung des Comics herrschen im Film fast durchgängig triste Farben. Ein eigenes Konzept findet der Film aber nicht und macht so einen monotonen Eindruck, grenzt die unterschiedlichen Locations optisch kaum voneinander ab. Dasselbe Problem haftet auch sämtlichen Action-Szenen an, die Snyder ähnlich abwechslungsarm und steril wie schon in „300“ in Szene setzt. Bereits in der von einer deplazierten Überzeichnung ruinierten Eingangssequenz nutzt Snyder seine immer gleichen Zeitlupeneinlagen um die rar gesäten spektakulären Momente möglichst auszuschlachten. Diese Effekthascherei setzt sich in der Gewaltdarstellung im gesamten Film weiter fort, der die gewalttätigen Details der Vorlage unnötig heraus stellt und diese teilweise erschreckend missversteht. Ohnehin schon drastische Szenen wie die Ermordung eines Gefangenen mittels Kehlen-Schnitt werden in ihrer Drastik ungemein erhöht, in diesem Fall durch das erbarmungslose Absägen beider Arme. Für diese plakativen Ausschmückungen findet Snyder allerdings niemals eine Rechtfertigung, sodass die betreffenden Ausbrüche einen äußerst selbstzweckhaften Eindruck hinterlassen.



Problematischer ist dann aber die, in ihrem Zynismus ebenfalls wesentlich gesteigerte, Ermordung eines Kinderschänders durch Rorschach. Hier begeht die Verfilmung einen Fehler, der einem so genialem Autor wie Alan Moore wohl kaum unterlaufen würde, und nimmt eindeutig die rechtsideologische Haltung von Rorschach selbst ein. Das gleiche Bild vermittelt die Vietnam-Szene, in der Dr. Manhattan als Mordwerkzeug der amerikanischen Armee auftritt, aufdringlich untermalt von Wagners Walküre-Thema. Nicht nur als verfehltes Filmzitat hinsichtlich „Apocalypse Now“ peinlich, auch in der offensichtlichen Inszenierung als Gag ausgesprochen misslungen. Neben der unzureichenden Figurenzeichnung und der recht einfallslosen Visualisierung (deren größter Verdienst wohl im schmissigen Kostümdesign zu suchen ist) sind es eben die kleinen Ausrutscher, die erneut eine individuelle Regieführung vermissen lassen.

Eintönig präsentiert sich „Watchmen“ auch in akustischer Hinsicht. Den originalen Score muss man erst einmal suchen, da die Schlüsselszenen beinahe allesamt mit zeitgenössischen Pop- und Rock-Songs untermalt sind. Hat man dann die Filmmusik gefunden gibt es kaum Anlass zur Freude: Nicht ein prägnantes Thema erklingt aus den Boxen, aus dem lieblos komponiertem Brei bleibt kaum ein Fetzen in Erinnerung. Bleibt zu sagen, das die ausgewählten Songs sehr wirksam eingesetzt sind und einen Hang zum Kitsch nicht verhehlen können. Der steht dem sonst so kalten und glatten Look zwar kaum, lässt aber nichtsdestotrotz eine Spur Wärme zu, die der Film bitter nötig hat.



Dieser allzu geleckte und nach Perfektion hechelnde Look entpuppt sich in den effektlastigen Abschnitten, zum Beispiel auf dem Mars oder im Finale, als erschreckend konturenlos. Ersichtlich wird dieser fatale Umstand, der wohl ein unangenehmer Nebeneffekt blauäugigen Vertrauens in die CGI-Wunder ist, selbst an Kleinigkeiten. In einem fragmentarischen Rückblick auf Rorschachs Vergangenheit attackiert er als kleiner Junge zwei deutlich größere Teenager und beißt schließlich ein Stück Fleisch aus der Wange seines Gegners. Wenn auch Details wie diese aus dem PC stammen und das auch überdeutlich zu sehen ist (auch wenn die Effektarbeit durchweg solide ist, freilich ohne neue Maßstäbe zu setzen), dann fällt die mangelnde Körperlichkeit des Geschehens schwer ins Gewicht. Die fehlende Textur bricht dem Film also die Beine, wenn auch noch nicht das Genick und trennt ihn um Welten von der Beschaffenheit faszinierender, 'greifbarer' Bilderwelten herausragender Werke wie „Batman Returns“ oder „Hellboy“.

Unabhängig von der überforderten Regie Snyders machen die Darsteller einen zwiespältigen, letztlich aber eher positiven Gesamteindruck. Zunächst ist der Verzicht auf große Stars als Zugpferde sympathisch, alle Hauptdarsteller machen daher einen ähnlich unverbrauchten Eindruck wie die für „Watchmen“ kreierten Figuren, die ebenfalls keine Assoziationen bedienen sollten. Jackie Earle Haley als Rorschach muss sich überwiegend auf seine Stimme verlassen, zeigt aber in den wenigen Szenen ohne Maske ein bemerkenswertes Einfühlungsvermögen in die verbitterte und von Hass zerfressene Figur. Sehr charismatisch tritt auch Jeffrey Dean Morgan auf, der die sardonische Macho-Art des Comedians exakt trifft. Selbst Billy Cudrup kann seinem Dr. Manhattan noch eine persönliche Note geben und verleiht dem ausdruckslosen Gesicht des blauen Übermenschen eine erkennbare Tragik. Malin Akerman dagegen ist damit beschäftigt, heiß auszusehen und kommt ihrer Figur in erster Linie optisch sehr nahe, Matthew Goode fehlt es leider gänzlich an Charisma, zudem kommt ihm verhältnismäßig zu wenig Screentime zu. Echte schauspielerische Akzente setzen kann lediglich Patrick Wilson, der die starke Präsenz seiner Figur zu nutzen weiß.



Auch wenn viele Bildkompositionen den Comic exakt nachempfinden, so macht das also noch lange keinen guten Film oder eine würdige Verfilmung. In seinen besten Momenten atmet „Watchmen“ den Geist der Vorlage und lässt schmerzlich erkennen, was für ein großartiges Stück Film hätte entstehen können, aus der (entgegen der sturen Fan-Behauptung) sehr wohl verfilmbaren Graphic Novel. Über weite Strecken profitiert die Adaption einfach vom grandios erdachten Szenario, den geschliffenen Dialogen und den lebendig gezeichneten Figuren. Die Eigenleistung hält sich also in Grenzen, bedenkt man die mäßige und verfälschte Action und einige gravierende Peinlichkeiten, die stellenweise den Verdacht aufkommen lassen, das die Vorlage zugunsten zynischer Unterhaltung pervertiert wurde.

5,5/10

(Anmerkung: Review und Benotung haben nur vorläufigen Charakter - ein endgültiges Bild mache ich mir erst nach der Langfassung auf DVD inklusive der beiden ergänzenden Kurzfilme TALES OF THE BLACK FREIGHTER und UNDER THE HOOD, die für das Watchmen-Universum entscheidend sind und dem Gesamtbild einen wesentlich komplexeren Eindruck verpassen könnten. Review bezieht sich also nur auf die Kinofassung.)

2 Kommentare:

  1. Jupp. Sehr schönes Review, das zum gleichen, wenn auch anders ausformulierten, Schluß kommt wie meines. Ich finde auch, daß hier allenfalls der Geist der Vorlage gestreift wird und das wesentliche verfälscht wird. Gerade das Ende mit seiner blitzsauberen Optik, einfach ein Krater in einem ansonsten menschenleeren zerstörten New York, nimmt dem ganzen soviel von seiner eigentlichen Kraft.

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  2. Richtig, das Ende habe ich auch so empfunden. Gerade die groteske Körperlichkeit der Kraken-Bilder in ihren erdigen Farben hat einen ganz anderen atmosphärischen Effekt als die paar sterilen Computer-Blitze. Überhaupt steht dem Film dieser glatte, sauber polierte Look einfach nicht...

    Zu deiner Kritik wollte ich auch noch einen Kommentar abgeben aber in den letzten Tagen hatte ich wenig PC-Zeit...

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