Sonntag, 5. Juli 2009

Filmtagebuch: Krabat & Krabat

Ottfried Preußlers berühmtes Jugendbuch, vielfach ausgezeichnet und schon lange Schulliteratur-Standard, bekam bisher zwei Spielfilm-Adaptionen spendiert, die unterschiedlicher kaum sein könnten. So ist die tschechische Version des Stoffes bereits 1977 als Animationsfilm unter der Regie des erfahrenen Karel Zeman entstanden, 2008 folgte dann die teuer produzierte Verfilmung von Marco Kreuzpaintner. Da mir die Vorlage gänzlich unbekannt ist, kann ich keine weiteren Vergleiche ziehen, Zemans Adaption orientiert sich allerdings stärker auf die ursprüngliche Volkssage und reduziert die Dramaturgie des Buches auf ein Minimum, während „Krabat“ von Kreuzpaintner so etwas wie eine definitive Umsetzung sein will. Beide Filme tragen den gleichen Titel, driften qualitativ aber ebenso weit auseinander wie erzählerisch. Vor ein paar Wochen habe ich ein Double Feature gewagt, hier dazu ein paar Wörter.



Krabat (1977)
Karel Zeman erweist sich als der beste Mann für ein Projekt dieser Art, als führender Animationsfilmer seines Landes blickte er bereits während der beinahe vierjährigen Dreharbeiten auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurück, arbeitete mit allen erdenklichen Unterkategorien und Stilmitteln des Genres. Sowohl mit Collage- als auch mit traditioneller Animationskunst hatte er Erfahrung, weiterhin mit der Verbindung von Zeichentrick- und Realfilmsequenzen sowie im Bereich des Puppentrickfilms. Gerade letzteres beeinflusst „Krabat“ deutlich, die bewusst staksigen und abgehakten Bewegungsabläufe und die kantige Beschaffenheit der Landschaften und Innenräume erinnern an Marionetten- oder Scherenschnitt-Verfahren. Die Handlung mitsamt der komplexen Personenanzahl wird auf ihr Grundgerüst entkleidet, echte Charaktervertiefung strebt der Film nicht an. Vielmehr widmet er sich detailverliebt und mit expressiver Bildsprache der Beschwörung einer dunklen Atmosphäre, was ausgezeichnet gelingt. Dazu trägt auch der befremdliche, unbequeme Score bei, sodass der Film für die jüngsten Zuschauer nicht geeignet ist. Wie für einen tschechischen Animationsfilm fast schon üblich, ist „Krabat“ geradezu vollgestopft mit systemkritischen Allegorien und intelligenten Sinnbildern, die dem Gesamtwerk eine nicht zu unterschätzende politische Komponente verleihtn in der gedankliche Verführung das bestimmende Motiv ist. In seiner Vielfältigkeit und seinem visuellen Reichtum ist er der Realfilm-Version meilenweit voraus und auch insgesamt der erwachsenere, reifere und besser durchdachte Film. Getragen von einem ernsten Ton, schimmert oftmals auch eine subtile Ironie durch, die vornehmlich durch besonders krude Details entsteht, sich aber nie in den Vordergrund drängt. Neben dem ausdrucksstarken Off-Kommentar gibt es nur wenige gesprochene Wörter, keinen einzigen längeren Dialog – was hier den Charme eines mündlich überlieferten Märchens kreiert, wird in Kreuzpaintners Version zum abgeschmackten, vereinfachenden Stilmittel ohne wirkliche Daseinsberechtigung - denn anders als hier bei Zeman wird dort ständig geredet und geredet und geredet. Auch die Verführungskraft der Magie und deren innewohnende zerstörerische Kraft wird von Zeman weitaus treffender und eindringlicher auf die Leinwand gebracht. Unterm Strich bleibt nur zu sagen, das er die weitaus bessere der beiden Verfilmungen ist und in Deutschland leider immer noch einer angemessenen Veröffentlichung entgegen harrt. Die Synchronisation ist überdies sehr gelungen...
7,5/10



Krabat (2008)
Obwohl Marco Kreuzpaintner bereits beachtliche Erfahrung als Regisseur sammeln und sogar in den USA arbeiten konnte, gelingt ihm anders als Zeman weder ein individueller noch ein spannender oder nur unterhaltsamer Film. Trotz hervorragender Ausstattung, sei es das schöne Set-Design oder die gelungene Kulissenwahl, versagt Kreuzpaintner bei dem Versuch, einen deutschen Blockbuster kreieren zu wollen, der mit aller Gewalt internationalen Standards genügen will. Als besonders peinlich ist hier eine stümperhaft geschnittene, unbeholfene Kampf-Sequenz heraus zu heben – inszenatorische Schnitzer wie diese, eine langatmige Dramaturgie inklusive vieler redundanter Dialoge und die teilweise unausgereiften CGI-Spielereien zerstören jeden Anflug von magischer Anziehungskraft. Die latente Homosexualität der Geschichte nimmt Kreuzpaintner dankbar auf und rückt besonders Robert Stadlober so schwuppig wie möglich ins Bild, aber das nur am Rande. Im Audiokommentar räumt der Regisseur zum Schluss ein, das es sich um eine reine Auftragsarbeit handelt, was man dem Film letztlich auch in jeder Einstellung ansieht. Da ist der wenig glaubwürdige und heillos überforderte Hauptdarsteller David Kross das geringste Problem, da sich dessen Naivität wenigstens halbwegs sinnvoll in seiner Figur niederschlägt, die sich ja auch die meiste Zeit emotionale nicht zurecht findet. Genauso sieht Kross dann auch die meiste Zeit aus. Selbst visuell kommt „Krabat“ 2008 eher wie ein aufwendiger Fernsehfilm als eine Kinoproduktion daher, unmotivierte Nebendarsteller wie Daniel Brühl mit einer selten gelangweilten Mine sprechen die gleiche Sprache. Das hier ein urdeutscher, volkstümlicher Stoff auf die Leinwand gebracht wurde kann nicht darüber hinweg täuschen, das es sich um einen glatt gebügelten Genrefilm handelt, der dem Erfolg von großen Fantasy-Filmen wie „Herr der Ringe“ oder auch „Harry Potter“ hinterher hechelt, dabei aber nur Staub zu schlucken bekommt.
03/10

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