Montag, 15. Juni 2009

Taboo I & II (Kirdy Stevens)

Da ich mich schon lange keinem Pornofilm gewidmet habe hier nun ein kleines Double-Feature zu zwei besonders geschmackvollen Genre-Beiträgen. Vielleicht gibt es zu beiden Filmen (oder zumindest zum ersten) demnächst auch mal etwas ausführlicheres...



Taboo (1980) & Taboo II (1982)

Schon der Titel kündigt eine Kontroverse an, die der Film auch mühelos einzulösen versteht. Zwar gab es im amerikanischen Pornofilm schon haufenweise nachgestellten Inzest zu sehen, doch stets in einem rüden Kontext. So war es vor „Taboo“ meist ein Vergewaltigungs-Szenario, Redneck-Sujet oder ein Sicko-Schockmittel – Regisseur Kirdy Stevens geht aber wesentlich weiter und inszeniert den (natürlich auch hier nur vorgegebenen) Inzest als sinnlichen und lustvollen Akt mit beiderseitigem Einverständnis. Bis sich Mutter und Sohn am Ende aber der Lust hingeben und aufhören, ihre Gefühle zu bekämpfen, lässt sich der Film viel Zeit um erotische Spannung zwischen den beiden Hauptfiguren aufzubauen und so gerät der eigentliche Tabubruch umso glaubwürdiger. Gerade weil sich beide Parteien über die Unmoral bewusst sind, mit sich hadern und auch gesellschaftliche Restriktionen fürchten, wirkt dieser sleazige Klassiker wesentlich stärker und nachhaltiger als ein beliebiger Inzest-Schinken, mit dem einfach ganz lapidar jeder mit jedem schläft. Kirdy Stevens glückt in „Taboo“ der am meisten ökonomische Tabubruch der Pornogeschichte – zwei eigentlich gewöhnliche Hetero-Szenen erhitzen die Gemüter, projizieren einen absurden ödipalen Wunschtraum auf die Leinwand und lösten einen handfesten Skandal aus. Übrigens bleibt es in diesem ersten Teil einer schier endlosen Reihe (von denen die ersten vier Fortsetzungen und Teil 7 noch von Kirdy Stevens stammen) der Sex zwischen Mike Ranger und Kay Parker der einzige „Inzest“ - nachdem der Film bis dahin Geduld beweist, folgt das zweite inzestuöse Schäferstündchen nur kurz nach dem ersten und macht dramaturgisch nur wenig Sinn.

Wer den letzten Satz belächeln mag weil es sich um einen Pornofilm handelt, sollte berücksichtigen, das man es hier durchaus mit Spielfilmqualität zu tun hat. Wer ein Herz für Exploitation und Bahnhofskino-Filme hat, der sollte sich diesen schmutzigen kleinen Kultfilm keinesfalls entgehen lassen. Drehbuchautorin Helene Terrie (welche die „Taboo“-Reihe noch bis zum sechsten Teil begleiten sollte und auch anderweitig mit Regisseur Stevens zusammenarbeitete) gelang ein stringentes Skript mit überschaubarer Personen- und Schauplatz-Anzahl und konzentriert sich sichtbar auf eine glaubwürdige (oder zumindest vorstellbare) Psychologisierung der Figuren. Sowohl Mutter als auch Sohn werden sinnvoll in ihr privates Leben eingebettet, ohne den Fokus ausschließlich auf korpulierende Körper zu setzen. Kurzweilig und straff erzählt, lässt der Film sein Thema lange in der Luft schweben – bezeichnend, das die Inzest-Sequenzen äußerst warm ausgeleuchtet sind und einen sehr soften, fast romantischen Charakter besitzen.



„Taboo" profitiert natürlich ungemein von der starken Hauptdarstellerin Kay Parker, die nicht nur aufgrund ihrer üppigen Erscheinung eine Idealbesetzung ist. Ihr reifer Charme und der liebevoll-zärtliche Umgang mit ihrem Filmsohn verleiht ihr eine perverse mütterliche Erscheinung, was von der berüchtigt-großen Oberweite des Genre-Stars noch unterstrichen wird. So geriet ihr Part in „Taboo“ zur Rolle des Lebens für Kay Parker, die sogar ihre Autobiografie nach ihrem bekanntesten Film benannte. Parker war für ihr bemerkenswertes schauspielerisches Talent bekannt und damit in der Pornobranche neben Marilyn Chambers ein Unikum. Unter dem bewusst ernst gehaltenen Grundton des Films scheint aber deutlich erkennbar eine schelmische Ironie heraus, die subtil daran erinnert, das man das Ganze bloß nicht zu ernst nehmen sollte...

Nachdem der erste Teil einen ausgewachsenen Skandal in den Vereinigten Staaten auslöste (der erst übertroffen wurde durch die Enthüllung von Traci Lords' Minderjährigkeit) und für mehrere Jahre im Gespräch war, musste ein Nachfolger her. Zwei Jahre hat es gedauert bis Stevens und Terrie ihren großen Erfolg fortsetzten, doch der zweite Teil hatte nur noch wenig mit dem Original gemein. Schon in der Eingangssequenz wird klar, das eine völlig andere Herangehensweise präsentiert wird als im fast schon seriösen Vorgänger, der fast ausschließlich „normale“ Hardcore-Szenen beinhaltete und viel Zeit für Dialoge und Erzählung einer Geschichte übrig hatte...

„Taboo II“ ist im Prinzip eine anarchische Parodie, nimmt das Thema keinesfalls ernst sondern zieht unbeirrt wie augenzwinkernd eine völlig abstruse Personenkonstellation auf, um alle erdenklichen inzestuösen Kombinationen zu bieten. Hier treiben es Bruder und Schwester, Vater und Tochter, Mutter und Sohn – alles lose verbunden zum Vorgänger, denn es spielt sich in einem Nachbarort ab. Das Gerücht um den Tabubruch zwischen Mutter und Sohn erreicht eine Familie, die plötzlich ganz ungeahnte Vorlieben entwickelt. Was sich dämlich und uninspiriert anhören mag, wird von Kirdy Stevens gekonnt aufbereitet, heiter und jederzeit schwer unterhaltsam. Hatte der ersten Teil einen neuen Trend losgetreten, so lotet dieser zweite Teil eben diese neuen Möglichkeiten aus und wendet das obligatorische Überbietungs-Konzept an. Im Gegensatz zum Original geht es hier fast nur um interfamiliären Sex, der nun völlig auf einen glaubwürdigen Unterbau verzichtet. Zwar weist auch „Taboo II“ noch echte Spielfilmhandlung mit überlegter Dramaturgie-Führung auf, funktioniert aber eben als Komödie und Gegenentwurf zum Vorgänger. Besonders deutlich äußert sich dieser signifikante Stimmungswechsel in der Dialogführung, die hier eindeutig komödiantischer Natur ist und ihr Trash-Potential kalkuliert ausspielt ohne an dreckigem Charme zu verlieren.

Beide Filme glänzen auch durch tollen Musikeinsatz und verfügen jeweils über einen originellen Titelsong. Extrem hoher Kultfaktor und vier von fünf Schwänzen nach oben...

(Review ist auch erschienen bei Pornoklassiker.de)

12 Kommentare:

  1. An Taboo 2 kann ich mich gar nicht mehr erinnern, und vom ersten Teil blieb mir lediglich Juliet Anderson in Erinnerung, die trotz ihres für Pornoverhältnisse stattlichen Alters noch eine sehr gute Figur macht. Aber trotzdem sind die Filme alleine deswegen sehenswert, weil es , wie Du schon sagtest, echte Filme sind. Die End70er Anfang 80er sind ja eigentlich das goldene Pornozeitalter, weil dort noch mit Handlung und hohen production values gearbeitet wurde, bevor die Produktion dann auf widerliches Video umschwang und die Industrie zum billigsten Massenmedium verkam. Hier handelt es sich noch um Pornos fürs Auge und fürs Hirn, da man es mit glaubhaften Charakteren zu tun hat. Schließlich gibt es nichts langweiligeres, als die Gonzoscheiße, bei der man bei den Fickenden nur die Dollarzeichen in den Augen sieht. Für Freunde dieser Filmkunst empfehle ich ja auch immer "Das Lustschloß der Josephine Mutzenbacher", so ziemlich der letzte deutsche Film, der noch auf Film gedreht wurde und auf DVD mit einer 80 minütigen Doku daherkommt, die damals am Set gedreht wurde. Da kann man dann mal sehen, wie penibel Hans Billian gearbeitet hat - fast jeder Stoß ist durchchoreographiert.

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  2. Wenn du so wenig Erinnerung hast, unbedingt nochmal auffrischen. Am besten als Double Feature, der unterschiedliche Charakter der Filme sorgt für Abwechslung und beste Unterhaltung...

    Wie du ja vielleicht schon von meinen ofdb-Beiträgen weißt, bin ich großer Anhänger des Golden Age of Porn und schätze diese HC-Spielfilme sehr. Nichtsdestotrotz habe ich nicht ein so negatives Bild von der modernen Industrie. Immer noch gibt es eine Anzahl von sehr interessanten Filmemachern, die dem Genre durchaus künstlerischen Wert abzugewinnen wissen. Mit Storytelling hat allerdings keiner dieser Künstler zu tun.

    Mit Gonzo-Filmen kann ich persönlich nichts anfangen, da kann ich dich verstehen. Hans Billian war nun einmal ein Original - Regisseure wie Michael Ninn, Andrew Blake, Susi Medusa Gottardi (oder so ähnlich) widmen sich den ästhetischen Fragen ihrer Filme aber mindestens ebenso penibel...

    Das LUSTSCHLOSS ist sehr nett, amüsiert mich aber nur in der ersten Hälfte. Besonders die Anfangsszene mit dem sterbenden alten Sack ist großartig. Wie du schon sagst, der letzte seiner Art.

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  3. Ich wollte nicht zum Ausdruck bringen, daß es heute grundsätzlich keine guten Filme mehr gibt, aber irgendwas fehlt doch, weil eben nicht mehr auf Film gedreht wird.
    Zuletzt gefallen mir schon mal die Streifen von Vivid alt; The Doll Underground z.B. ist ein ziemlich abgedrehter Film, und Regisseur Eon McKai ein ziemlich sympathischer Nerd, wie ich schon persönlich feststellen konnte.

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  4. Wo durftest du McKai denn kennen lernen? Würd mich ja schon mal interessieren. Habe seinen NEU WAVE HOOKERS gesehen und halte ihn für einen der besten Pornos der letzten Dekade. Leider kenne ich bisher noch nichts anderes...

    Vivid allgemein ist ganz nett. Andrew Blake, Ph. Mond und so drehen aber doch auf richtigem Filmmaterial oder täusche ich mich?

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  5. In Berlin war 2007 das erste Pornfilmfestival parallel zur Venus, bei dem man zeigen wollte, daß es noch mainstreamtaugliche Pornos gibt, und so eine knappe Woche lang relativ vielfältiges Programm zusammengestellt hat. Andrang war gut und mit fast mehr Frauen als Männern im Publikum auch wild durchmischt.
    McKai war mit seinem Film "Girls Lie" vertreten (der leider nicht annähernd so gut war, wie Neu Wave Hookers, Art School Sluts oder Doll Underground), und Charlotte Stokely saß neben mir und hat doch schon ziemlich heftig einen Kumpel von mir angebaggert - der sie eiskalt hat abblitzen lassen, weil (wie er mit hinterher erklärte) sein Englisch nicht gut genug für eine längere Unterhaltung wäre.

    Blake dreht auf Film, aber wenn Dita da nicht mitspielt, kannste micht damit jagen - Ästhetik alleine reicht einfach nicht.

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  6. Edit: Huch, wie die Zeit rennt, es war doch schon 2006 ;)
    http://www.pornfilmfestivalberlin.de/pff/

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  7. Klingt sehr gut, vielleicht schaffe ich es dieses Jahr, ist ja noch was Zeit. Ist das Ganze sehr kostenintensiv?

    Die anderen Filme von McKai muss ich mir unbedingt noch ansehen, hat der nicht auch einen "Debbie Does Dallas"-Reboot gemacht?

    Dein Kollege hat also eine knackige, bisuexuelle Porno-Darstellerin abblitzen lassen? Der Barney Stinson in mir windet sich gerade vor Qual bei der Vorstellung...

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  8. Stimmt, Debbie Loves Dallas ist aber leider nicht halb so gut wie das Original, oder deren Fortsetzungen.

    Kostenintnsiv: Ja keine Ahnung, damals kam ein Film 6€ - billiger ist es garantiert nicht geworden.

    Der Barney in mir war auch leicht geschockt, allerdings wüßte ich nicht, wie ich reagieren würde, wenn das mir so plötzlich passieren würde. Vermutlich aber sabbern und in die Hose kommen...

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  9. Hmm, joa, das ist schon kostenintensiv (plus Fahrtkosten, man will ja was essen und möglichst viele Filme sehen). Aber egal, klingt verlockend und ist ins Visier genommen...

    Den Debbie-Film stelle ich dann mal hinten an.

    Meine Reaktion wäre wohl deinem geschilderten Szenario nicht unähnlich... ;)

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  10. von wem ist der Song in der Taboo 2 Orgie?

    Wäre schön wenn den jemand kennt.

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  11. Das will ich auch wissen - Der ganze Soundtrack zum ist interessant!

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  12. JA! Der SOUNDTRACK! Das Lied, wo Bruder & Schwester nachts loslegen im 1. Teil ist genial! In der deutschen DVD-Fassung leider komplett überspielt worden! Echt Schade! Also, wer singt den Song? Wer hat ihn auf CD? Meldet Euch! mcfrolic@yahoo.de

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