Dienstag, 3. Februar 2009

Boys in The Sand (1971)

Der Pornofilm stand im Jahre 1971 ganz kurz vor seinem kometenhaften Aufstieg zur internationalen Industrie. Gerard Damiano sollte ein Jahr später mit einem gewissen Filmchen über orale Praktiken einen unglaublichen Boom auslösen – nicht zuletzt weil der Film auch in der seriösen Presse besprochen wurde und dementsprechend überall polarisierte. Jener Film ist einem großen Publikum in Erinnerung geblieben, zahlreiche Filmemacher zollten dem Werk schon Tribut mit Parodien, Fortsetzungen oder Anspielungen. Auch in der Fachliteratur zu exploitativen und pornographischen Filmen widmet man „Deep Throat“ viel Aufmerksamkeit.

Viel weniger bekannt ist „Boys in The Sand“ – schon der Titel lässt vermuten das es sich um einen homosexuellen Porno handelt und das bestätigt sich auch, es gibt keinerlei heterosexuelle Szenen. Das frühe Entstehungsjahr zeigt deutlich, dass sich der schwule Pornofilm sogar noch etwas früher entfaltet hat als der straighte. Erst später sollten Gerard Damiano, Lasse Braun, Zebedy Colt und viele mehr die Grenzen des Genres neu ausloten. Doch Wakefield Pooles Debüt-Film, produziert für nur 8000 Dollar, war der erste Hardcore-Film der von Zeitungen wie der New York Times besprochen wurde, in seriösen Kinos lief und sogar fast einstimmig Lob von der Kritik erhielt.

Ein junger Mann (Calvin Culver) macht Urlaub in dem schwulen und überaus exklusiven Badeort Fire Island, New York. Schon bald kommt es zu ersten Liebesabenteuern, die den gesamten Urlaub über anhalten sollen. Bei sonnigem Wetter und in toleranter Umgebung können die Männer ihren Fantasien freien Lauf lassen…

Die Credits am Anfang des Films sind in den weißen Sand eines schönen Strandes eingeschrieben und symbolisieren aus heutiger Sicht sozusagen die damals noch unbefleckte Weste der Porno-Branche, lange vor AIDS. Heute werden diese frühen Beiträge auch als Bareback-Movies bezeichnet, womit gemeint ist das keine Kondome zum Einsatz kommen. Die Kameraführung ist trotz etlicher Wackler und Fehler sehr nett und erzeugt mit der passenden Musik eine adäquate Atmosphäre. Dies verleiht dem Film die nötige Leichtigkeit um ihn zu gucken und die schnörkellose Story ist perfekt für das Genre, wie auch später die einfachen aber effektiven Geschichten zu „Deep Throat“, „Debbie Does Dallas“ und vielen mehr. Die Handlung spielt im beliebten schwulen Freizeitort Fire Island, wo sich die gut betuchten Homosexuellen New Yorks und dem Rest der Welt zum Cruising treffen.

Aufgrund der mangelnden Möglichkeiten findet sich recht viel füllendes Material im Film, Dialoge gibt es aber nur wenige. Die Sex-Szenen sind sehr sinnlich inszeniert und enthalten nicht viele Close-Ups; explizite Details werden nicht zu sehr zelebriert und die überwiegende Verwendung natürlichen Lichtes erzeugt eine nette Optik. Die dritte und letzte Hardcore-Sequenz zeigt Calvin Culver (der schon hier unter seinem Pseudonym Casey Donovan spielte) beim Sex mit einem Afro-Amerikaner und ist die provokanteste des Films. Zu einer Zeit in der Porno noch in den Kinderschuhen steckte war schon ein schwuler Film ein starkes Stück – doch zur Zeit wiederaufkeimender Rassen-Unruhen und nur kurz nach der endgültigen Beendigung der rassistischen Zwei-Klassen-Gesellschaft Amerikas war dies einerseits eine eindeutige Provokation, andererseits aber auch ein klarer Appell an Toleranz und gegenseitiges Verständnis.

Eins steht fest: „Boys in The Sand“ gehört filmisch mit zu den allerbesten Vertretern des Golden Age of Porn und wird in seiner Ästhetik nur schwer geschlagen. Was Wakefield Poole aus dem winzigen Budget heraus holt ist bemerkenswert und ganz einfach ein Meilenstein des pornografischen Films, nie wieder sollte ein schwuler Porno wieder so ein Aufsehen und vor allem solch einen filmhistorischen Rang erreichen. Viel schneller als der heterosexuelle Zwilling versank er in der Beliebigkeit und brachte nach seinem ersten großen Star Calvin Culver kaum noch Größen hervor.

Culver spielt hier die Hauptrolle und kann sogar schauspielerisch überzeugen, ein Grund warum Radley Metzger den Darsteller für „Score“ und „The Opening of Misty Beethoven“ an Bord holte. Der Hauptdarsteller besaß ein eindrucksvolles Charisma, gutes Aussehen und trat regelmäßig in seriösen Produktionen auf und avancierte zu einem großen Star des Porno Chics bevor er 1987 in Folge einer AIDS-Infektion verstarb. Culver war auch in der ziemlich unbekannten Fortsetzung „Boys in The Sand 2“ der Hauptdarsteller, den Regisseur Poole erst dreizehn Jahre später inszenierte.

Noch ein kleines Detail am Rande: Wie viele wissen ist es in der Porno-Industrie üblich (und auch schon immer üblich gewesen) die Titel zu bekannten Mainstream-Werken mal mehr oder mal weniger charmant zu verwursten. Meistens haben die Pornos keinerlei Bezug zum Titelgeber sondern nutzen oftmals nur die Chance für Wortspiele. „Boys in The Sand“ ist auch hier ein Pionier, erstmals verwendete man die Parodie auf einen bekannten Filmtitel. Vorbild war hier der 1970 entstandene „The Boys in The Band“ von Star-Regisseur William Friedkin, ein Film dessen Thema ebenfalls aus dem homosexuellen Milieu entstammt.

Fazit: Ein Klassiker des Pornofilms und der wohl einzige Gay-Porno den ich auf die Must See-Liste des Genres setze. Selbstverständlich muss man mit den Hardcore-Sequenzen umgehen können, allzu hart wird es zum Glück aber nie. Für aufgeschlossene Cineasten eine echte Entdeckung und das obwohl nach knapp 70 Minuten kaum ein Wort gesprochen wurde.

07 / 10


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