Freitag, 27. März 2009

Filmtagebuch: Animations-Kurzfilme



Special Delivery (Kanada, 1978) Oscar-prämiert
Schwer makaberer Humor, präsentiert von einem sarkastischen, trockenen Voice Over. Fintenreich entwickelt sich der skurrile Plot völlig gegen den Strich gebürstet und vermag es, selbst abgebrühten Zuschauern einige erstaunliche Wendungen und Ideen aufzutischen. Dabei ist die Selbstverständlichkeit, mit der der Film seinen abgründigen Humor funktionieren lässt, ebenso unbequem wie erheiternd. Bis zum Schluss bleibt der 7-minütige Film unberechenbar, die betont einfachen, sparsam animierten und kindlich-harmonischen Zeichnungen kontrastieren den tiefschwarzen Inhalt sehr effektvoll...(8,5/10)

Every Child (Kanada/Frankreich, 1979) Oscar-prämiert
Sowohl technisch als auch erzählerisch sehr einfach gestrickt, humoristisch eher zahnlos und in seiner Verbindung zwischen Real- und Zeichentrickfilm recht dröger Kurzfilm, der aber über eine elegante atmosphärische Gestaltung Pluspunkte sammeln kann und letztlich auch seine zuckersüße Stimmung transportieren kann. Aufgrund der holprigen Machart und der wenig einprägsamen, trivialen Geschichte unterm Strich aber nur Durchschnitt...(05/10)

The Fly (Ungarn, 1980) Oscar-prämiert
Exakt durchkomponiertes, perfekt animiertes kleines Meisterwerk aus Ungarn. Sogar zu einer Hommage bei den Simpsons hat es dieser atmosphärisch einzigartige, beklemmende und verstörende 3-minütige Kurzfilm gebracht. Die gesamte Zeit folgt die Kamera der subjektiven Sicht einer Fliege, die neugierig umher fliegt und die es in ein Haus verschlägt, wo sie schließlich ihren gewaltsamen Tod findet. Die stark verfremdete „Fliegensicht“ auf die vertrauten Dinge zieht augenblicklich in ihren Bann und wird von der summenden Soundkulisse entsprechend verfeinert. Suggestiv, vieldeutig und nach einmaliger Sichtung garantiert auf ewig ins Hirn gebrannt... (09/10)

Tango (Polen, 1981) Oscar-prämiert
Intensive filmische Collage aus über die Funktionalität animierter Bilder wie über die Isolation des (postmodernen) Menschen. Überlegt konstruiert der Film eine schon bald hypnotisch anmutende Bildfolge, in deren Verlauf sich weder Kameraeinstellung noch musikalische Untermalung oder die Kulisse ändert. In faszinierender Gleichmäßigkeit füllt sich der Raum bis hin zur totalen Unübersichtlichkeit – ein Ereignis läuft neben dem anderen her, ohne das eine gegenseitige Wirkung sichtbar wird. Fraglos ein tiefsinniges gedankliches Konstrukt, das im strengen visuellen Konzept eine gewisse Ordnung findet und trotz aller Komplexität somit begreifbar wird...(8,5/10)

The Great Cognito (USA, 1982) Oscar-nominiert
Lauter, mit großer Kreativität und enormem Aufwand produzierter Kurzfilm, der sich durch einen burlesken Ton auszeichnet mit grandiosem Voice Acting glänzt. Neben dem witzigen aber überreizendem Wortschwall verlangt die kompliziert eingesetzte Claymation-Technik große Aufmerksamkeit um entsprechend gewürdigt zu werden. Trotz der formal exzellenten Machart kommt der anti-narrative Film anstrengend und leicht überladen daher, gefällt aber zumindest oberflächlich...(6,5/10)

Sundae in New York (USA, 1983) Oscar-prämiert
Charmantes Mini-Musical, das im Claymation-Look dem Zauber des alten Hollywood nachweint, dies aber mit gediegenem Witz und einer liebevollen Verbeugung vor dem Big Apple. Dennoch einer der schwächeren hier besprochenen Animationskurzfilme, wenn auch sehr gestenreich und überhaupt etwas over-the-top inszeniert...(5,5/10)

Charade (Kanada, 1984) Oscar-prämiert
Vor absurdem Witz sprühender Cartoon um Method Acting, ignorante Jury-Mitglieder und fragwürdige Casting-Entscheidungen – eigentlich auch über die ganze Absurdität der Filmbranche an sich. Durch verspielten visuellen Ideenreichtum bekommt der Kurzfilm den gewissen cartoonesken Touch, der dem Gros vergleichbarer Produktionen fehlt. In seiner spöttischen Unbekümmertheit ein sympathischer und außerordentlich witziger Film...(7,5/10)

Anna & Bella (Niederlande, 1984) Oscar-prämiert
Sentimental aber nie verklärend, sehr süß ohne Zahnschmerzen zu verursachen, ergreifend animiert doch niemals billig verkitscht. Die einfalls- und detailreich bebilderten gemeinsamen Erinnerungen zweier inzwischen greiser Schwestern sind zwar anrührend erzählt und profitieren von einem ganz eigenen, verschrobenem Charme – THE BIG SNIT ist aber der bessere Film und hat vielleicht wegen seiner gewagten Thematik gegen diesen doch sehr harmlosen, schrullig-schönen Film den Kürzeren gezogen...(07/10)

Een Griekse Tragedie (Belgien, 1985) Oscar-prämiert
Einziger enttäuschender Kurzfilm der Kompilation THE WORLDS GREATEST ANIMATION, der zwar in schöne handgefertigte Zeichnungen gekleidet ist, im Gegensatz zu den anderen Vertretern der Zusammenstellung aber so gar nichts zu vermitteln weiss. Die heitere Grundstimmung nutzt sich genau wie der immer wieder variierte Gag schnell ab und hinterlässt nicht viel beim Zuschauer. Leider sehr nichtssagend, vielleicht ist aber auch einfach der Funke nicht über gesprungen. Selbst der sehr simple LUXO Jr. hat mir da besser gefallen aber Pixar hat ja genug Oscars nachgeholt...(04/10)

The Big Snit (Kanada, 1985) Oscar-nominiert
Noch vor dem legendären Zeichentrick-Downer WENN DER WIND WEHT thematisiert Regisseur Richard Condie hier die Angst vor einem nuklearen Holocaust. Ungemein clever inszeniert er einen überhöhten, hysterischen privaten Streit vor dem Hintergrund der Eskalation des Kalten Krieges. Was als hintersinnige Karikatur auf die Kalter-Krieg-Paranoia beginnt, kulminiert schließlich in einem existentialistisch angehauchtem Traumbild, das in seiner Aufrichtigkeit wahrhaft zu erschüttern weiß, ohne jemals aufdringlich den Zeigefinger zu schwingen. Gerade der ruppige und bewusst irritierende Stilbruch zeichnet diesen zutiefst humanistischen und ehrlichen Film aus, der noch lange nach dem Abspann nachwirkt...(7,5/10)

Crac (Kanada, 1987) Oscar-prämiert
Komplexes, folkloristisches filmisches Gedicht aus sinnlichen, sehr weichen Zeichnungen. Versehen mit einer wunderbar melancholischen Schlusspointe und einer formell sehr ausgereiften Filmsprache. Wunderschönes Kleinod, unterlegt mit feinfühliger Musik und getragen von einer beachtlichen gedanklichen Tiefe... (08/10)

Your Face (USA, 1987) Oscar-nominiert
Ein kleines Meisterwerk von Groening-Vorbild Bill Plympton, in dem er seinen Hang zum Surrealismus voll ausspielt. Ein Gesicht vor leerem Hintergrund, das ein bizarres Lied vorträgt, reicht Plympton als Spielwiese für exorbitanten mimischen Anarchismus. In ständig fortlaufender Bewegung verändern sich die Gesichtszüge auf unbeschreibliche Weise. Ein in seiner kunstvoll arrangierten Flüssigkeit bemerkenswerter Kurzfilm, dessen visueller Einfallsreichtum immer wieder zu verblüffen vermag...(09/10)

Technological Threat (USA, 1988) Oscar-nominiert
Sowohl in der Figurenzeichnung als auch in der Hochgeschwindigkeitsinszenierung eine Hommage an die Animationslegende Tex Avery, auf dessen scharfkantigen Stil auch die Hintergründe und Bewegungsabläufe bewusst hinweisen. Sowohl als Erinnerung an die klassischen Werte des Cartoons, deren viele Gesichter niemals ausgeschöpft sein werden, als auch als eigenständige, gesellschaftskritische Satire äußerst gelungen. Der anarchische Slapstick trifft in den besten Szenen genau in die gleiche Kerbe wie die ätzend-süffisant vorgetragene Kritik an der zunehmenden Wegrationalisierung des Menschen, leider gegen Ende ein wenig ausgefranst und zu wenig auf den Punkt gebracht...(07/10)

The Cat Came Back (Kanada, 1988) Oscar-nominiert
In der Tradition klassischer Chase-Cartoons gestalteter Kurzfilm, der nicht viel um politische Korrektheit und sauberen Witz gibt, stattdessen einen beschwingte Musikalität an den Tag legt. Viel mehr wird die aberwitzige Gewalttätigkeit des Genres heraus beschworen und in betont grobschlächtigen Zeichnungen zelebriert. Auf den Punkt gebrachte Figurenanimation und eine sich geschickt steigernde Gagfolge verdichten sich zu einem bösen Spaß für Erwachsene. Zudem ist der titelgebende Song, der sich als Leitmotiv durch den ganzen Film zieht, gefällig komponiert, eingängig und als akustische Klammer virtuos eingesetzt...(7,5/10)

Tin Toy (USA, 1989) Oscar-prämiert
Der erste Oscar für Pixar und zwar völlig unverdient – sowohl THE CAT CAME BACK als auch TECHNOLOGICAL THREAT sind sowohl handwerklich als auch inhaltlich TIN TOY weit überlegen. Schon die grässliche Darstellung des menschlichen Babys macht den Film hässlich, katastrophal gealtert ist er dazu und die Bewegungen sind noch zu steif um wirklich zu überzeugen. Trotz all seiner Fehler kann TIN TOY mit einigen netten Ideen und einer tieferen Bedeutungsebene hinsichtlich der destruktiven Beziehung des Kindes zu seinem Spielzeug, wobei letzteres als Protagonist auftritt. Viele Aspekte nehmen jene Ideen vorweg, die in TOY STORY schließlich künstlerisch adäquat umgesetzt wurden...(5,5/10)

Balance (Deutschland, 1989) Oscar-prämiert
Herausforderndes, kafkaeskes Stück filmischer Existenzphilosophie und als Beitrag zur bildenden Kunst ebenso wertvoll wie als unterhaltender Kurzfilm. Die etwas steifen Bewegungsabläufe und die damit etwas ungelenke und leblose Visualität sind unbedeutende, verschwindend geringe Kritikpunkte angesichts der hier dargebotenen universell gültigen Parabel den menschlichen Hang zu Materialismus, Egozentrik und die Sackgasse, in der die menschliche Natur das Individuum führen kann. In erbarmungslos gleichmäßiger Ruhe entwickelt sich ein Miniatur-Drama, das die reizvolle Grundidee konsequent auszuspielen vermag, ohne dabei intellektuell überladen zu wirken. Schon die Gleichgültigkeit, in der die Figuren mimisch verharren und ihre zögerlichen, unbestimmten Handlungen erzeugen eine nur schwer verdauliche atmosphärische Dichte. Zudem bietet der Film mannigfaltige Bedeutungsebenen und kann sowohl soziologisch als auch politisch interpretiert werden. Verdienter Oscar...(8,5/10)

Creature Comforts (Großbritannien, 1989) Oscar-prämiert
Der famose Einstieg für Nick Park in eine Traumkarriere und der erste von bisher vier Oscars. Ähnlich wie seine Kultfiguren Wallace und Gromit very british und im gleichen Verfahren entwickelt. Die Stop-Motion-Technik macht hier bereits einen sehr ausgereiften und versierten Eindruck, stimmige Bewegungen und exakte mimische Gestaltung erwecken die Knetfiguren überzeugend zum Leben. Der trockene Humor resultiert aus der Ernsthaftigkeit, in der die Tiere Englands ihre jeweiligen Lebensumstände kritisch kommentieren. Ohne eine eigentliche Geschichte zu erzählen, behält der Film konsequent seinen Stil bei und ist durchgehend als Mockumentary in Szene gesetzt. Sehr amüsant aber auch nachdenklich und von einer gewissen Traurigkeit bestimmt, kann Parks Erstling (der mehr als zehn Jahre später einen Ableger in Form einer TV-Serie nach sich zog) heute noch überzeugen, auch wenn die intelligente Grundidee noch mehr hergegeben hätte...(07/10)

The Chubbchubbs! (USA, 2002) Oscar-prämiert
Der Film unterwandert das allgemein gepflegte Niedlichkeitsprinzip a la Disney, Pixar, DreamWorks und Co. Sehr geschickt, indem er sich der gleichen knuddeligen Ästhetik bedient, diese aber in einem unerwarteten Schlussgag ironisch aufbricht. Außerdem wird dem Zuschauer eine clevere Verbeugung vor dem originalen WAR OF THE WORLDS geboten, das wesentlich subtiler als gewohnt in die Handlung eingebettet wird, ohne aufdringlich heraus gestellt zu werden. Im übrigen bietet dieser erste Animationsfilm von Sony Pictures Imageworks eindrucksvolle Animationen auf hohem Niveau, durchgängig am Computer erstellt. Viel mehr als ein netter Gag ist der Film dann aber doch nicht...(07/10)

The Danish Poet (Norwegen/Kanada, 2006) Oscar-prämiert
In warmen Farben gehaltener, leise und geduldig erzählter Film, der eine traurig-romantische Stimmung kreiert, dem metaphysischen Aspekt der symbolträchtigen Story allerdings ein wenig zu viel Aufmerksamkeit widmet und daher ein auch religiös-verbrämt gelesen werden kann. Dennoch erstaunlich, wie der Film das Grafische hervor hebt und seine zweidimensionalen Bilder sehr streng stilisiert. Die großartige Liv Ullmann spricht einen sehr ausdrucksstarken und sensiblen Kommentar und übernimmt auch die wenigen gesprochenen Sätze aller Figuren. Was zunächst befremdlich wirken mag entwickelt seinen ganz eigenen, einnehmenden Charme und trägt maßgeblich zum Gelingen des Films bei, der mit seinen kindlichen, einfachen Animationen sowohl Sony als auch Disney und Pixar ausstechen konnte...(07/10)

Oktapodi (Frankreich, 2007) Oscar-nominiert
Nicht viel mehr als eine stilistische, verspielte Fingerübung – schon die Nominierung dieses französischen Filmchens scheint etwas überzogen, angesichts der mangelnden inhaltlichen Tiefe. Zwar können die (durchweg computergenerierten) Bilder überzeugen und durchaus neben der übergroßen Konkurrenz bestehen, die scharfen Pointen eines Pixar-Kurzfilms (in deren Tradition OKTAPODI eindeutig steht) bleiben aber weitestgehend aus. Die unkonzentrierte Dramaturgie findet keinen runden Abschluss, sodass selbst die tollen Farben und gelungenen Minenspiele der Figuren (in den etwas mehr als zwei Minuten wird auf Dialog verzichtet) nicht über den fehlenden Feinschliff hinweg täuschen können. Für die Academy ein überraschend oberflächlicher Beitrag, dessen gelungene Tricktechnik dennoch eine ansehnliche Visitenkarte für die Macher darstellt...(5,5/10)

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