Montag, 27. Juli 2009

Gay Purr-ee (1962)



Plot: Frankreich in den 1890ern: Der Kater Jaune-Tom lebt zufrieden in der Provence, er jagt Mäuse mit seinem besten Freund Robespierre und ist glücklich verliebt in die hübsche Katzendame Mewsette. Doch diese ist nicht zufrieden mit dem beschaulichen Landleben und sehnt sich nach der großen Stadt Paris, ihrem glitzernden Nachtleben und ihren romantischen Sehenswürdigkeiten. Als Jaune-Tom ihr eine gefangene Maus zum Geschenk machen will, hat Mewsette genug und schickt den Kater enttäuscht davon. Sie springt auf eine Kutsche nach Paris auf um dort ein neues Leben zu beginnen.

Robespierre, ohnehin eifersüchtig auf Mewsette und angeekelt von der liebevollen Turtelei zwischen ihr und Jaune-Tom, überbringt seinem besten Freund die vermeintlich frohe Botschaft von Mewsettes Abreise. Dieser überlegt nicht lange und folgt seiner Angebeteten nach Paris, begleitet von Robespierre, der seinen Freund nicht alleine ziehen lassen will. Mewsette ist inzwischen an ihrem Ziel angekommen, gerät aber sofort in das Netz einer kriminellen Katzenschieber-Organisation, deren Kopf die beleibte Katze Madame Rubens-Chatte ist. In ihrem Auftrag ist der verschlagene Kater Meowrice unterwegs, um naive Neuankömmlinge wie Mewsette zu täuschen und zu verkaufen...



„Gay Purr-ee“ nimmt in der Geschichte des Animationsfilms gleich in mehrfacher Hinsicht eine besondere Stellung ein: Zunächst einmal handelt es sich um einen der wenigen amerikanischen Genrefilme seiner Zeit (wenn nicht gar der erste überhaupt), die sich in keinster Weise am Disney-Stil („Imitation of Life“) orientieren und im Charakterdesign auf vollendete Cartoon-Künstlichkeit setzen. Die fast schon karikaturesk anmutenden Figuren haben nicht viel zu tun mit den physikalischen Gesetzen, da kommt es schon einmal vor, das Jaune-Tom wie eine Rakete durch die Luft fliegt und schwere Holzkisten auf den Schädel bekommt ohne Schaden davon zu tragen, oder sich Madame Rubens-Chatte verstohlen direkt ans Publikum wendet und in die Kamera spricht. Diese cartoonesken Figuren agieren nur selten vor traditionell gezeichneten Hintergründen sondern werden ästhetisch ganz in die Handlungszeit versetzt, was zu einer selten gesehenen ästhetischen Heterogenität führt, die aber trotz ihrer Gegensätzlichkeiten funktioniert. Überwiegend sind die Hintergründe im Stil von impressionistischen Ölgemälden gehalten, wobei auf diverse Künstler, die direkt in Paris lebten oder auf andere Weise in ihrer Arbeit von der Stadt beeinflusst wurden, und deren markante Stilmittel bzw. Techniken verwiesen wird.

So bewegen sich die agil animierten Katzen durch fast vollständig starre und bewegungslose Stillleben, exakt nachempfunden den Gemälden von Claude Monet, Vincent van Gogh, Paul Cézanne und diversen anderen zeitgenössischen Malern. Auf diese überdeutlich in Szene gesetzten Referenzen weist der Film sogar selbst in einer kurzen Sequenz hin, die wie ein Fremdkörper in der Handlung wirkt und die im 1890er-Paris aktiven und populären Künstler würdigt, in dem sie namentlich aufgezählt werden und explizit die Verarbeitung ihrer Erkennungsmerkmale in den Bildern des Films heraus gestellt wird. Wenn auch etwas ungeschickt platziert, ist dieser kurze Ausflug in die Kunstgeschichte hilfreich für Laien und vor allem auch für die jüngsten Zuschauer. Zwar erkennt auch ein Laie wie ich leicht die mannigfaltigen Anspielungen auf die hinlänglich bekannten Künstler, viele andere wären mir aber ohne diesen kurzen Unterricht verborgen geblieben.



Die Ähnlichkeit zum klassischen Cartoon, die bis in die 1960er als Vorfilme einen festen Platz im Kinoprogramm hatten, ist kein Zufall: Hinter dem Projekt steht als Drehbuchautor und ungenannter Mitproduzent die Animationslegende Chuck Jones – Oscar-Preisträger und Regisseur von rund 300 Cartoons, von denen einige zu den Meilensteinen ihrer Gattung gezählt werden. Als Regisseur fungierte indessen Abe Levitow, der wohl beste und wichtigste Animator, der für Chuck Jones arbeitete. Die Handschrift des eingespielten Teams ist unverkennbar und drückt sich nicht nur in der kecken Figurenzeichnung aus sondern auch in den aberwitzigen Slapstick-Szenen, die in der romantischen Story natürlich in den Hintergrund treten. Typisch für den amerikanischen Zeichentrickfilm scheint aber die Nutzung des Musicals als äußere Form, um mittels beschwingter Gesangseinlagen die Handlung auf Spielfilmlänge zu dehnen. In „Gay Purr-ee“ wird das Setting und die Form allerdings untrennbar mit dem romantischen Inhalt vermengt, sodass die stimmigen Lieder nicht bloße Staffage bleiben sondern einen fundamentalen Beitrag zur Gesamtkonzeption leisten.



Auch für ein stimmliches Cameo des legendären Synchronsprechers Mel Blanc (Sprecher von nahezu allen wichtigen Warner-Figuren) , der als Bulldogge auftritt und für einige weitere, nicht näher genannte, Geräusche und Einzelsätze verantwortlich war. Selbst sein Faible für Wortspiele in Namen, Ortsangaben und den Filmtiteln selbst konnte Chuck Jones beibehalten: Wie ein großer Teil seiner Cartoons (unter anderem alle Filme um den Road Runner) wimmelt auch dieser Langfilm von Wortspielen, die schon im Titel beginnen - „Purr-ee“ ist eine Verballhornung der französischen Aussprache von „Paris“, ausgesprochen in Anlehnung an das Schnurren einer Katze. Mit großer Freude am Detail setzt sich dieser Trend durch den ganzen Film fort, von den Namen der Protagonisten bis hin zu Orten wie dem „Mewlon Rouge“ - letzteres unterstützt darüber hinaus auch die absurde Parallelwelt der vermenschlichten Tiere.

Dementsprechend routiniert und schnörkellos ist der Film inszeniert, stets getragen von einem beschwingten Ton, der immer wieder Platz macht für schwelgerische Gesangseinlagen. Wie in jedem guten Musical beginnt der Gesang dort, wo gesprochene Wörter nur noch kitschig wirken können und vermittelt die jeweiligen Stimmungslagen adäquat in den eingängigen Songs. Wenn die Handlung auch arg dünn erscheint und mit einem unfreiwilligen Alaska-Ausflug von Jaune-Tom und Robespierre recht bizarr ausgeschmückt wird, entwickelt der Film immer wieder neues Tempo, ohne dabei allzu viele redundante Sequenzen einzubauen. Zum einnehmenden Charme trägt auch das versierte Voice Acting bei, unter anderem mit den Stimmen der Superstars Judy Garland und Robert Goulet.

So simpel und schnörkellos die Geschichte auch erzählt wird, Abe Levitow biedert sich nicht mit einer rührseligen Moral an. Wenngleich Mewsette sich nach den Verlockungen der Stadt sehnt und ihr idyllisches Landleben gründlich satt hat und sie in Paris schnell mit den Schattenseiten ihres Traumes konfrontiert wird, wird zum Schluss nicht ihr vermeintlich falscher Freiheitswillen an den Pranger gestellt und letztlich erstrahlt Paris in schönstem Glanz.



„Gay Purr-ee“ ist ein vergessener Film, dessen Wiederentdeckung in höchstem Maße unwahrscheinlich ist. Schließlich kann man kaum von einem Meilenstein oder Meisterwerk reden, trotz der formellen Originalität und des brillanten Voice-Actings. Innerhalb der Zeichentrickgeschichte ist er relativ einzigartig geblieben – nur selten setzte beispielsweise Disney auf eine cartooneske Stilisierung (Ausnahmen bilden „101 Dalmatiner“ und der viel später entstandene „Königreich für ein Lama“) und außerhalb der kurzen Cartoons hatte kaum ein Zeichentrickfilm vor Ralph Bakshi so viel Mut zur abstrakten Darstellung - erst recht nicht im Bereich der familiengerechten Produktionen.

Auch das Setting im Paris der künstlerisch aufregenden 1890er-Jahre wurde selten so konsequent genutzt, am ehesten vielleicht im Micky Maus Cartoon „The Nifty Nineties“ aus dem Jahr 1941. Während Chuck Jones und Levitow in den Cartoons um das kultige Stinktier Pepe das Klischee des französischen Romantikers noch auf sehr süffisante Art aufgriffen, erliegt „Gay Purr-ee“ gänzlich dem Charme der Stadt der Liebe – so wird das friedvolle Happy End abgeschlossen mit einem Bild des Eiffelturms, inklusive wehender französischer Flagge.

7,5/10

Hier die von mir erwähnte Sequenz, in der ausführlich die künstlerischen Vorbilder veranschaulicht werden:

Review-Reihe: Kino-Zeichentrickfilme der 60er, die NICHT von Disney stammen


Hiermit möchte ich vier Reviews ankündigen zu Filmen, die in Deutschland einen extrem geringen Bekanntheitsgrad haben, was in mancherlei Hinsicht seltsam ist. Immerhin stecken hinter allen vier Filmen bekannte Größen des Animationsfilms.


1. Gay Purr-ee

Sehr abstraktes, dennoch familientaugliches Musical, an dessen Umsetzung Zeichentricklegende Chuck Jones maßgeblich beteiligt war.



2. West and Soda
3. VIP



Beide Filme stammen von Bruno Bozzetto, der damit eine außerordentliche Leistung für sich verbuchen kann: Innerhalb von nur fünf Jahren konnte er damit gleich zwei lage Zeichentrickfilme aus dem Boden stemmen (neben seinen Kurzfilmen) und das zu einer Zeit, in der es kaum einschlägige Produktionen mit Spielfilmlänge gab. Beide Filme sind absolut typisch für Bozzetto, hierzulande am besten bekannt für seine Kult-Figur Herr Rossi und seinen dritten Langfilm "Allegro non Troppo" von 1976.



4. The Man Called Flintstone

Gleich vorweg: Der einzig schlechte Film der Reihe und unwürdig als Abschluss der großartigen Serie, die bekanntlich Maßstäbe gesetzt hat. Und das, obwohl das legendäre Duo Hanna & Barbera höchstpersönlich die Produktion leitete und auch Regie führte.

Donnerstag, 16. Juli 2009

Das Wunder von Bern (2003)

In meiner losen Reihe zum Neuen Deutschen Kino:



Der legendäre WM-Sieg von 1954 eignet sich geradezu perfekt für ein emotionsgeladenes Nationalepos: Eine Underdog-Geschichte, die einen magischen Moment in der deutschen Nachkriegsgeschichte darstellt und vor dessen Hintergrund es sich beinahe aufdrängt, die Befindlichkeiten des deutschen Volkes abzubilden, schließlich bedeutete der Sieg für die vom Krieg zerrüttete Generation erstmals wieder so etwas wie Nationalbewusstsein und auch so etwas wie Stolz auf die Heimat – beim Fußball immerhin eine ganz selbstverständlich akzeptierte Einstellung. Sönke Wortmann hat diesen Stoff (der für ihn angeblich die Erfüllung eines persönlichen Traums bedeutet) mit entsprechenden Ambitionen umgesetzt und versucht sowohl den Generationskonflikt zu illustrieren, die bekannten Mythen ein wenig zu erklären und gleichzeitig ein glaubwürdiges Gesellschaftsporträt zu inszenieren. Dabei scheitert er schon an einer simplen Tatsache: „Das Wunder von Bern“ ist wie kaum ein anderer Film vollkommen am eigentlichen Gegenstand vorbei inszeniert, das es schon fast an Dreistigkeit grenzt. Da wird einem jedes Spiel bis zum Finale vorenthalten, auch wenn man den Spielern bis in die Umkleidekabine folgt. Wenn diese Aussparung jeglicher Sport-Szenen (im gesamten Film gibt es nur wenige Minuten schlecht choreographierten Fußball zu sehen) Spannung aufbauen sollte, dann ist dieses Unternehmen gründlich in die Hose gegangen.

Beispielsweise zeigt uns der Film den WM-Held Helmut Rahn bei der Abfahrt, beim illegalen Kneipenbesuch, beim Frust-Abbau weil er nicht aufgestellt wird. Seine ersten Erfolgserlebnisse, Einsatz und Torerfolg, wird dem Zuschauer ebenso vorenthalten wie jeder andere Blick auf das eigentliche Geschehen, die Weltmeisterschaft. Das am Ende auf erbärmliche Weise die Computer-Unterstützung jeden Anflug von Kino-Zauber zerstört, deklassiert Wortmanns Machwerk als bestenfalls überdurchschnittlichen Fernsehfilm, aufgeblasen für die große Leinwand, kann deren Anforderungen aber kaum gerecht werden. Das Sönke Wortmann, dessen beste Filme („St. Pauli Nacht“, „Kleine Haie“) tragikomischer Natur und eher „klein“ sind, kein Bilderstürmer ist, war abzusehen – das ihm aber jeglicher Sinn für die Magie des Augenblicks zu fehlen scheint, ist in fataler Weise verblüffend und so ähnelt der an allen Fronten scheiternde Film dem sprichwörtlichen Autounfall. Obwohl den Bildern jegliche Größe fehlt, müssen Zugeständnisse an die hervorragende Ausstattung gemacht werden, die sich wirklich sehen lassen kann und in keinem Vergleich steht zur extrem schwachen Tricktechnik. Darstellerisch solide, kann vor allem Newcomer Sascha Göpel als Helmut Rahn überzeugen, dessen Charakterzeichnung nichtsdestotrotz jegliche Schärfe fehlt. Dieses Los teilt er allerdings mit jeder anderen Figur, die entweder zur bloßen Staffage ohne jegliche dramaturgische Funktion verkommen (wie der trotzdem tolle Lukas Gregorowicz als Reporter) oder aber oberflächlich gezeichnete Klischeebilder verkörpern (Mirko Lang als älterer Sohn und überzeugter Kommunist).

Überhaupt mutet sich Wortmann nach einem stimmungsvollen Beginn zu viel zu: Er versucht dem Generationskonflikt, der schwierigen und hier übertrieben schwülstigen Heimkehrer-Thematik, einer dazugehörigen Vater-Sohn-Schmonzette und natürlich dem WM-Geschehen gerecht zu werden, vergisst aber dabei vor allem letzteres. Hätte der Film ganz die Perspektive des Zuschauers gewählt, der das Event nur aus der Ferne am Radio und Fernseher verfolgen kann, eingenommen, so wäre mehr Platz für die Einzelschicksale gewesen und hätte auch die Vorenthaltung jeglicher Szenen der WM gerechtfertigt. Nur in wenigen Szenen schafft es Wortmann, diese Stimmung zu vermitteln, wenn etwa leer gefegte Straßen gezeigt werden, wenn es wirklich zur Sache geht. Doch warum führt Wortmann Persönlichkeiten wie Helmuth Rahn und Sepp Herberger ein, wenn er an ihrer Entwicklung offensichtlich nicht interessiert ist? Die legendären Floskeln von Herberger werden hier schelmisch vorgeführt und als kalkulierte Sprichwörter in Szene gesetzt, was angesichts der oberflächlichen Erzählung nur noch unfreiwillig komisch wirkt.

Ein Sport-Epos ohne Sport also, das sich obendrein als rührseliger Familienfilm versteht und das Kriegsversehrten-Trauma ungeheuer kitschig in Wohlgefallen auflöst. Wohl auch aufgrund der dürftigen Psychologisierung kann Peter Lohmeyer in der schwierigsten Rolle kaum überzeugen. Auch dem neu erwachten Patriotismus wird keine Aufmerksamkeit geschenkt und hier vergibt der Film seine letzte Chance, zumindest auf politischer Ebene zu überzeugen und die gezeigten Problematiken in moderne Fragen umzuformulieren. All diese frappierenden Unzulänglichkeiten, die für einen enorm lieblosen Anstrich sorgen, können auch nicht durch historisch akkurate Details vergessen gemacht werden.

03/10

Montag, 6. Juli 2009

Happy Birthday

Haufenweise symapthische Leute feiern heute ihren Geburtstag. Grund genug für eine neue Kategorie...




Was soll ich zum schönsten Kuriosum aus dem Weißen Haus seit Richard Nixon sagen? Danke für alles...


Am gleichen Tag Geburtstag wie der ehemalige Mr. President. Da bietet sich eine gemeinsame Party der beiden Weltverbesserer und Friedens-Stifter doch geradezu an...


50 Cent wie man ihn kennt und liebt: Unverstellt, authentisch und nachdenklich. Und ein gigantischer Schauspieler ist das Multitalent obendrein - aber wem erzähl ich das eigentlich?


Last but not least: John Rambo. Möge er auch noch im Rentenalter fähig sein, ganze Armeen im Alleingang in Fetzen zu schießen. Ein großer Mann, der schon längst seinen Beitrag zum Weltkulturerbe geleistet hat und auch im Alter noch blendend aussieht...

TV Tipps 06.07. - 10.07.09



Mo, 06.07.

20:15 – 22:05 Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett (Super RTL)

Nette Disney-Produktion, die tricktechnisch versiert Realfilm- und Zeichentrick-Sequenzen verbindet, allerdings unter der drögen Rahmenhandlung leidet. Das Fußballspiel ist aber zu Recht legendär...

22:45 – 00:45 Auf der Flucht (WDR)

Packender Reißer, den aber eh jeder gesehen hat. Ist trotzdem heute noch sehenswert und hat nur wenig Staub angesetzt...

Di, 07.07.

20:15 – 23:10 Superman – The Movie (Tele 5)

Die erste echte Comicverfilmung, von deren Klasse immer noch jede Genreproduktion zehrt. Richard Donner hat hier ganz einfach Maßstäbe gesetzt. Mehr hier..

Mi, 08.07.

20:15 – 22:10 Knockin' on Heaven's Door (Kabel Eins)

Temporeiche Road-Movie-Komödie, die sich ehrfurchtsvoll vor ihren Vorbildern verneigt und durch Wortwitz und skurrile Figurenzeichnung äußerst gut unterhält.

00:10 – 01:35 Lonesome Jim (Arte)

Stilsicher inszenierter Independent-Film von Steve Buscemi mit einem hervorragenden Casey Affleck in der Hauptrolle. Tipp der Woche, da den erfahrungsgemäß nur wenig Leute kennen...

Do, 09.07.

20:15 – 22:05 American Pie 3 (Vox)

Furchtbarer dritter Teil der erfolgreichen Reihe, in dem viel zu früh Heirat und Sesshaftigkeit thematisiert werden. Nicht nur damit ist er der konservativste der „Trilogie“ (hüstel), auch wenn der übermäßig eingesetzte Fäkalhumor einen anderen Eindruck macht. Aber ich bin befangen, mochte den ersten Teil sehr und hätte mir auch noch weitere Abenteuer mit den Idioten gegeben...

23:50 – 01:30 Shaft (HR)

Der Mainstream-Film unter den Blaxploitern, streng genommen ist er gar keiner. Trotzdem sehr nett, mit groovendem Score und einem charismatischem Richard Roundtree in seiner Paraderolle...

Fr, 10.07.

14:30 – 15:45 Aljosche – Der ruhmreiche Recke (MDR)

Erster und bisher einziger Langfilm von Konstantin Bronzit. Habe alle seiner Kurzfilme gesehen (Reviews folgen) und bin daher schon ganz heiß auf „Aljoscha“, auch wenn es sich um eine Auftragsarbeit handelt. Dennoch klingt die Geschichte, die auf einem russischen Volksmärchen basiert, sehr originär und damit spannend...

20:15 – 21:45 Die Hexe und der Zauberer (Super RTL)

Abseits der handelsüblichen Märchen-Dramaturgie, die in den Disney-Filmen bereits ausreichend ausgespielt wurde, entwickelt Wolfgang Reithermann einen ganz neuen, beschwingten Stil, der den Disney-Filmen ein ganz anderes Gesicht verleiht, die eigene Herkunft aber auch achtet. Trotz der episodischen Struktur verfügt das Werk über eine bemerkenswerte erzählerische Geschlossenheit...

Sonntag, 5. Juli 2009

Filmtagebuch: Krabat & Krabat

Ottfried Preußlers berühmtes Jugendbuch, vielfach ausgezeichnet und schon lange Schulliteratur-Standard, bekam bisher zwei Spielfilm-Adaptionen spendiert, die unterschiedlicher kaum sein könnten. So ist die tschechische Version des Stoffes bereits 1977 als Animationsfilm unter der Regie des erfahrenen Karel Zeman entstanden, 2008 folgte dann die teuer produzierte Verfilmung von Marco Kreuzpaintner. Da mir die Vorlage gänzlich unbekannt ist, kann ich keine weiteren Vergleiche ziehen, Zemans Adaption orientiert sich allerdings stärker auf die ursprüngliche Volkssage und reduziert die Dramaturgie des Buches auf ein Minimum, während „Krabat“ von Kreuzpaintner so etwas wie eine definitive Umsetzung sein will. Beide Filme tragen den gleichen Titel, driften qualitativ aber ebenso weit auseinander wie erzählerisch. Vor ein paar Wochen habe ich ein Double Feature gewagt, hier dazu ein paar Wörter.



Krabat (1977)
Karel Zeman erweist sich als der beste Mann für ein Projekt dieser Art, als führender Animationsfilmer seines Landes blickte er bereits während der beinahe vierjährigen Dreharbeiten auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurück, arbeitete mit allen erdenklichen Unterkategorien und Stilmitteln des Genres. Sowohl mit Collage- als auch mit traditioneller Animationskunst hatte er Erfahrung, weiterhin mit der Verbindung von Zeichentrick- und Realfilmsequenzen sowie im Bereich des Puppentrickfilms. Gerade letzteres beeinflusst „Krabat“ deutlich, die bewusst staksigen und abgehakten Bewegungsabläufe und die kantige Beschaffenheit der Landschaften und Innenräume erinnern an Marionetten- oder Scherenschnitt-Verfahren. Die Handlung mitsamt der komplexen Personenanzahl wird auf ihr Grundgerüst entkleidet, echte Charaktervertiefung strebt der Film nicht an. Vielmehr widmet er sich detailverliebt und mit expressiver Bildsprache der Beschwörung einer dunklen Atmosphäre, was ausgezeichnet gelingt. Dazu trägt auch der befremdliche, unbequeme Score bei, sodass der Film für die jüngsten Zuschauer nicht geeignet ist. Wie für einen tschechischen Animationsfilm fast schon üblich, ist „Krabat“ geradezu vollgestopft mit systemkritischen Allegorien und intelligenten Sinnbildern, die dem Gesamtwerk eine nicht zu unterschätzende politische Komponente verleihtn in der gedankliche Verführung das bestimmende Motiv ist. In seiner Vielfältigkeit und seinem visuellen Reichtum ist er der Realfilm-Version meilenweit voraus und auch insgesamt der erwachsenere, reifere und besser durchdachte Film. Getragen von einem ernsten Ton, schimmert oftmals auch eine subtile Ironie durch, die vornehmlich durch besonders krude Details entsteht, sich aber nie in den Vordergrund drängt. Neben dem ausdrucksstarken Off-Kommentar gibt es nur wenige gesprochene Wörter, keinen einzigen längeren Dialog – was hier den Charme eines mündlich überlieferten Märchens kreiert, wird in Kreuzpaintners Version zum abgeschmackten, vereinfachenden Stilmittel ohne wirkliche Daseinsberechtigung - denn anders als hier bei Zeman wird dort ständig geredet und geredet und geredet. Auch die Verführungskraft der Magie und deren innewohnende zerstörerische Kraft wird von Zeman weitaus treffender und eindringlicher auf die Leinwand gebracht. Unterm Strich bleibt nur zu sagen, das er die weitaus bessere der beiden Verfilmungen ist und in Deutschland leider immer noch einer angemessenen Veröffentlichung entgegen harrt. Die Synchronisation ist überdies sehr gelungen...
7,5/10



Krabat (2008)
Obwohl Marco Kreuzpaintner bereits beachtliche Erfahrung als Regisseur sammeln und sogar in den USA arbeiten konnte, gelingt ihm anders als Zeman weder ein individueller noch ein spannender oder nur unterhaltsamer Film. Trotz hervorragender Ausstattung, sei es das schöne Set-Design oder die gelungene Kulissenwahl, versagt Kreuzpaintner bei dem Versuch, einen deutschen Blockbuster kreieren zu wollen, der mit aller Gewalt internationalen Standards genügen will. Als besonders peinlich ist hier eine stümperhaft geschnittene, unbeholfene Kampf-Sequenz heraus zu heben – inszenatorische Schnitzer wie diese, eine langatmige Dramaturgie inklusive vieler redundanter Dialoge und die teilweise unausgereiften CGI-Spielereien zerstören jeden Anflug von magischer Anziehungskraft. Die latente Homosexualität der Geschichte nimmt Kreuzpaintner dankbar auf und rückt besonders Robert Stadlober so schwuppig wie möglich ins Bild, aber das nur am Rande. Im Audiokommentar räumt der Regisseur zum Schluss ein, das es sich um eine reine Auftragsarbeit handelt, was man dem Film letztlich auch in jeder Einstellung ansieht. Da ist der wenig glaubwürdige und heillos überforderte Hauptdarsteller David Kross das geringste Problem, da sich dessen Naivität wenigstens halbwegs sinnvoll in seiner Figur niederschlägt, die sich ja auch die meiste Zeit emotionale nicht zurecht findet. Genauso sieht Kross dann auch die meiste Zeit aus. Selbst visuell kommt „Krabat“ 2008 eher wie ein aufwendiger Fernsehfilm als eine Kinoproduktion daher, unmotivierte Nebendarsteller wie Daniel Brühl mit einer selten gelangweilten Mine sprechen die gleiche Sprache. Das hier ein urdeutscher, volkstümlicher Stoff auf die Leinwand gebracht wurde kann nicht darüber hinweg täuschen, das es sich um einen glatt gebügelten Genrefilm handelt, der dem Erfolg von großen Fantasy-Filmen wie „Herr der Ringe“ oder auch „Harry Potter“ hinterher hechelt, dabei aber nur Staub zu schlucken bekommt.
03/10

Mittwoch, 1. Juli 2009

Filmtagebuch: Neuer Deutscher Film (II)



Sommersturm (2004)
Der bisher wohl beste Film von Marco Kreuzpaintner, der in den letzten Jahren eine beachtliche Karriereentwicklung durchgemacht hat. Noch vor seinem USA-Ausflug „Trade“ und dem hoch produzierten Schrottfilm „Krabat“ inszenierte Kreuzpaintner mit „Sommersturm“ einen sehr persönlichen Film, da er autobiografische Züge trägt und auch von den Coming-Out-Erfahrungen des Regisseurs erzählt. Dank einfühlsamer und frischer Darsteller und einer geschickt zwischen Humor und Ernsthaftigkeit tangierenden Dramaturgie, die es gegen Ende dann aber zu gut meint mit symbolbehafteten Bildkompositionen. Fast jedes Bild ist geschickt digitalisiert, dennoch kommt der Film ästhetisch kaum über besser produzierte Fernsehkost hinaus. Mit einigen Abstrichen sehenswert...(06/10)

Schwere Jungs (2007)
Die bayerische Variation des Komödien-Hits „Cool Runnings“ versprüht jede Menge Lokalkolorit und bietet unverfälschte Charakterzeichnungen sowie einen geduldig entwickelten Handungsbogen. Mit den Klischees des Sportfilms spielt „Schwere Jungs“ allerdings nur selten, belässt es bei einer recht konventionellen Durchstarter-Story, die auf wahren Begebenheiten fußt, ohne das ich hier beurteilen will, inwiefern das überhaupt eine Rolle spielt. Der kernige Witz und die hervorragende Besetzung inklusive Gaststar Bastian Pastewka sorgen dann für einen positiven Eindruck, der nur leicht durch die unbeholfen gefilmten Sport-Sequenzen verwässert wird...(6,5/10)

Märzmelodie (2008)
Der perfekte Sommerfilm. Eine romantische Komödie mit leicht bittersüßer Note und besonderem Kunstgriff. Wie in einem Jukebox-Musical werden bekannte Pop- und Rocksongs in die Dialoge eingeflochten, ohne das aber Genre-Regeln befolgt werden. Die Figuren singen nicht mit eigener Stimme, es erklingt an den entsprechenden Stellen der Originalsong – was dazu führt, das die jeweilige Figur mit unterschiedlichen Stimmen singt. Zudem werden nur ausdrucksstarke und perfekt in die Situation gestreute Schnipsel gesungen, meist als Folge eines Gefühlsausbruchs. Die Musik fängt an, wo die Worte eigentlich aufhören – dieses clever verwendete Stilmittel sorgt für eine Dynamik, für kurzweilige Unterhaltung, die so charmant ist, das auch seichtere Wendungen dem Film niemals den Zauber rauben. Formal relativ einmalig im deutschsprachigen Raum, überrascht vor allem die unbeschwerte Leichtigkeit, mit der Regisseur Martin Walz seine „Märzmelodie“ erklingen lässt...(08/10)

Solino (2002)
Fatih Akin spannt in seiner Einwanderer-Familienchronik einen breiten zeitlichen Bogen, der fesselndes Einzelschicksal subtil vor der Kulisse jüngerer deutscher Geschichte ablaufen lässt. Der ganz lange Atem zum Meisterwerk fehlt dem Film noch, insbesondere in der Gewichtung einzelner Zeitabschnitte. Dennoch gelingt Akin ein glaubwürdiges Porträt der Lebensbedingungen von Immigranten in den 60er-80er-Jahren, vergisst aber nie die dichte Handlung mit Humor aufzulockern, der sich nie anbiedert sondern ganz natürlich zu facettenreichen Gesamtwerk passt. Neben diesen Aspekten erzählt „Solino“ auch von der Liebe zum Kino, von der Hingabe an das Medium Film und um die Leidenschaft, die ein Künstler zum kreativen Schaffensprozess benötigt. Auch in seinen traurigen Szenen bleibt der Film nüchtern, realistisch aber immer lebendig und lebensbejahend. Eine Ode an das Leben, die Lust und den Film. Allgemein propagierte familiäre Werte beleuchtet Akin dabei eher kritisch und pessimistisch, doch auch nicht ohne Hoffnung...(8,5/10)



Sommer vorm Balkon (2005)
Noch vor dem beherzten „Wolke 9“ gelang Andreas Dresen dieser Geniestreich. Bei aller Realitätsnähe ödet der Film nie an, verbindet scheinbar mühelos schwermütige Melancholie mit herzerfrischender Komik, ganz ohne Kopflastigkeit oder eine aufdringlich-“wichtige“ Moral. Den Kern dieses einfachen und doch so komplexen Meisterstücks zu erfassen, ist nicht leicht und noch schwerer in Worte zu fassen. Wer sich aber auf den ruhigen und aufrichtig ehrlichen Film einlassen kann, findet unter den oberflächlich als Banalitäten erscheinenden Eckpunkten der Handlung echtes menschliches Drama, wie aus dem Leben gegriffen – auch wenn das abgedroschen klingt. Nur selten vermag Kino so etwas derartig authentisch abzubilden und erlebbar zu machen; nicht einmal den berühmten Dogma-Filmen gelingt dies besser...(9,5/10)


Harte Jungs (2000)
Knallharte Jungs (2002)
Nur ganz kurz, hab die Filme auch nur nebenbei laufen gehabt weil sie zufällig im Fernsehen liefen. Auch ohne diesen Rotz aufmerksam zu verfolgen, lässt sich sagen, das solche Filme den schlechten Ruf des deutschen Humors untermauern. Alberne Zoten, geschmackloser „Humor“, abgrundtief verlogene Klischeebilder und ganz ganz schlechte darstellerische Leistungen positionieren schon den ersten Teil in die unterste Schublade. Das Fremdschämen kann im Nachfolger dann tatsächlich noch etwas angehoben werden, auch wenn die unglaubwürige, sexistische und einfach zum Kotzen unkomische Travestie-Komödie sich als Abklatsch von Teenie-Schrott wie „Eis am Stiel – Hasenjagd“ gibt. Eine als potthässliche Frau verkleidete fette Sau, verschmierte Körperflüssigkeiten, sprechende Pimmel und dergleichen sind einfach nicht komisch. Es sei denn sie kommen aus dem Hause Troma aber das ist eine andere Baustelle, die sich deutlich mehr zu beackern lohnt als bodenloser Schwachsinn wie „Harte Jungs“. Diese beiden Machwerke sind schlichtweg desaströse Peinlichkeiten von epischem Ausmaß und nicht einmal ansatzweise als Trash goutierbar...(natürlich 01/10 in beiden Fällen)

Kurzfilme:



Tramper (2004)
Die beklemmende Grundsituation, die vor den Credits mit einem kleinen Paukenschlag eingeläutet wird, ist für jeden Zuschauer greif- und vorstellbar. Geschickt spielt der Film mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, verfügt dank cleverer Kameraführung über eine dichte Atmosphäre. Auf diversen Festivals gefeiert, zielt „Tramper“ (für einen Kurzfilm aber durchaus in Ordnung) auf den bloßen Effekt ab und setzt mit dem finalen Twist einen markanten Schlusspunkt.(07/10)

Spielerfrauen (2006)
Kurzfilm von Martin Walz, enthalten im Bonusmaterial auf der DVD zu „Märzmelodie“ - ein amüsanter Spaß, der schnell vorbei ist und keine sonderliche Wirkung hinterlässt. In einer einzigen Einstellung gedreht, können die gepfefferten Dialoge überzeugen. Auch die Grundidee, drei gelangweilte Frauen von Fußballstars dabei zu zeigen, wie sie das Spiel ihrer Männer verfolgen, kann als originell durchgehen und verarbeitet damit leicht sarkastisch die allgemeine Fußball-Euphorie: Gerade die Gattinnen, die am nächsten dran sind und von Ruhm und Reichtum profitieren, haben keinerlei Herz für den deutschen Volkssport Nummer Eins. Vergnüglich, aber ebenso schnell vergessen wie angeschaut...(05/10)

Spielzeugland (2007)
Der diesjährige Oscar-Gewinner der Kategorie „Bester Kurzfilm“ entpuppt sich als bleischwere, dabei aber schlichte und banale Holocaust-Geschichte. Konsequent aus der kindlichen Perspektive gedreht und mit einer gewissen inszenatorischen Leichtigkeit versehen, hätte aus dem parabelhaften Stoff durchaus etwas werden können. Ohne jede erzählerische Flüssigkeit vegetiert der Film über seine bescheidene Laufzeit dahin und dabei sind die wenig überzeugenden Kinderdarsteller noch das geringste Problem. Der Film begegnet seinem Thema konventionell und schleppt sich zu einem extrem vorhersehbaren Ende, dessen humanistischer Anstrich zwar bestimmt gut ankommt, dem aber jegliche Glaubwürdigkeit fehlt...(04/10)