Donnerstag, 3. September 2009

Filmtagebuch: Trauzeuge gesucht & Mr. Woodcock


Trauzeuge gesucht (2009)

John Hamburg ist ein Garant für harmlose, unverbindliche Hollywood-Komödien für die ganze Familie. Auch wenn seine Filme prinzipiell in geordneten Bahnen verlaufen und relativ überraschungsfrei bleiben, so weisen sie doch ein hervorragendes Gespür für humoristisches Timing auf. Perfekt zu betrachten am Beispiel seines Drehbuchs zu „Meet the Parents“ - nur selten weisen Filme eine derartige Gag-Dichte auf, ohne zur Sketch-Parade degradiert zu werden und jede Geschichte aus den Augen zu verlieren. Hamburg ist ein Könner wenn es darum geht, temporeich und kurzweilig zu inszenieren und auch Schauspieler sinnvoll einzusetzen – ist die Besetzung seiner Filme doch stets überaus prominent.

Nach „Safe Men“ und „Along come Polly“ ist „I Love You, Man“ Hamburgs dritter und bisher bester Spielfilm. Maßgeblich für diese Steigerung ist die neckische Prämisse, die wesentlich origineller ausfällt als noch beim direkten Vorgänger. Hamburg liefert hier eine romantische Romantic Comedy mit all ihren bekannten Eck- und Wendepunkten – mit dem Unterschied, das er von einer platonischen Männerfreundschaft erzählt und nicht vom Pärchen, das sich findet, streitet und am Ende wieder versteht.

Mit Paul Rudd und Jason Segel („How I met your Mother“) fällt die Besetzung der beiden Hauptfiguren nicht übermäßig prominent aus. Beide harmonieren aber sichtlich auf der Leinwand und geben ein sehr komisches Duo ab. Nur zur Erinnerung: Dies ist KEIN Buddy-Movie. „I Love You, Man“ kündigt es schon im Titel an: Er will die Besonderheiten einer Männerfreundschaft zum Handlungsgegenstand machen und ist nicht an einer Liebesgeschichte im traditionellen Sinn interessiert. Bemerkenswert ist, das Hamburg es unter diesen Umständen schafft, die Frauenfiguren im Film niemals unsympathisch erscheinen zu lassen – die Frau steht hier nicht im Weg, stellt sich nicht als boshafte Zicke heraus, wird aber auch nicht zur Randfigur degradiert. Keine so leichte Aufgabe, die hier elegant gemeistert wird: vielleicht schon zu gut, denn dieser Umstand wirkt so selbstverständlich, das er eventuell gar nicht ins Auge springt.

„I Love You, man“ ist eine rundum vergnügliche Angelegenheit geworden und unterhält bestens mit einer erfrischend aufbereiteten Story, die beweist, wie ein leicht veränderter Blickwinkel ganz neue Einsichten gewähren kann. Zudem hält der Humor ein gewisses Niveau und gibt sich nur in wenigen Szenen einer grobschlächtigen Machart hin. Als Beispiel dient hierfür sicherlich die Sequenz am Poker-Tisch, in der ein Schwall Kotze mitten im Gesicht von Jon Favreau landet.

Viel mehr Reiz bezieht der Film aber aus seiner Betrachtung eines Mannes, der eben nicht in Frauenfragen ratlos ist sondern keinen rechten Bezug zu einer männlichen Welt hat. Urkomisch, wie Paul Rudd sich schüchtern verhaspelt, als er eine Verabredung mit Jason Segel ausmachen will, wie er deplatzierte Witze reißt, weil er denkt es sei nötig oder wie er verschämt reagiert, wenn er nach seinen Masturbationsgewohnheiten gefragt wird. Segel legt seinen Charakter entspannt, offenherzig und ein wenig kindsköpfig an, womit er einen trefflichen Gegenpol bildet zum unbeholfen auftretenden Paul Rudd.

07/10


Mr Woodcock (2007)

Neben dem beachtlichen „Lars und die Frauen“ ist „Mr. Woodcock“ die zweite Regie-Arbeit des ehemaligen Werbe-Filmers Craig Gillespie. Anders als der melancholisch verträumte „Lars“ ist der zweite Film von Gillespie eine wesentlich leichtere und konventionellere Angelegenheit. Müsste man das unbedingt negativ ausdrücken, so könnte man den Film auch als flacher bezeichnen – womit man bestimmt nicht im Unrecht wäre, denn in „Mr. Woodcock“ wird eine wesentlich brachialere Sprache gesprochen. Gemeinsam haben beide Filme jedoch, das sie spöttisch und doch liebevoll einen Blick auf ein verklärtes provinzielles Amerika werfen.

Hier wie dort ist die Kleinstadt ein harmonischer Ort, wobei in „Mr. Woodcock“ der Spott überwiegt – dessen Zielscheibe sind Provinz-Gepflogenheiten die bierernst genommen werden, Lokalpatriotismus und vor allem die fragwürdige Branche der Selbsthilfe-Bücher. Diese werden mit scharfer Ablehnung, ihre Leser mit Verachtung geschildert. Ein solches hat die Hauptfigur, dargestellt von Sean William Scott (der hier fleißig gegen sein festgefahrenes 'Stifler'-Image anspielt), gerade geschrieben und es damit zu landesweitem Erfolg gebracht. Kurz vor seiner Buch-Tour kommt ihm ein Heimat-Besuch dazwischen, bei dem ihm nicht nur eine örtliche Ehrung zuteil wird sondern er auch erfahren muss, das seine verwitwete Mutter mit seinem ehemaligen Sportlehrer zusammen ist. Eben dieser Lehrer ist Mr. Woodcock, gespielt von einem grundsoliden Billy Bob Thornton, der solch zynisch abgeklärte Rollen mittlerweile aus dem Ärmel schüttelt und eine gewohnt routinierte Vorstellung gibt.

Leider macht der Film den gewaltigen Fehler, seine ohnehin fragwürdige Moral bereits nach der Eingangssequenz zu offenbaren. Von einer kurzen Szene aus der Kindheit, in der Mr. Woodcock die Schüler beim Unterricht malträtiert, wird in die Gegenwart und auf den Umschlag des geschriebenen Buches geschnitten. Vor der Überblende rät Woodcock seinem Schüler Farley metaphorisch wie wörtlich los zu lassen – der Buchtitel lautet dann „Letting go“. Offensichtlicher könnte das Drehbuch die finale Einsicht nicht vorweg nehmen: Nur durch Woodcocks strenge Behandlung konnte Farleys Motivation wachsen. Das Gillespie damit indirekt auch die Wiedereinführung der Prügelstrafe fordert, war ihm damit vielleicht gar nicht klar. Die reaktionäre Botschaft, die der Film vielleicht ungewollt transportiert, ist aber doch eindeutig heraus zu lesen.

Glücklicherweise hat sich auch Charakterdarstellerin Susan Sarandon in den Film verirrt und schafft es tatsächlich, ihrer schablonenhaften und devoten Figur, eine mütterliche Wärme zu verleihen. Außerdem wartet „Mr. Woodcock“ mit einigen skurrilen Nebenfiguren auf – so spielt Ethan Suplee („American History X“) einen sympathischen Naivling, der es zu nichts gebracht hat und wiederholt damit ein wenig seine Paraderolle aus der TV-Serie „My Name is Earl“.

Stößt man sich nicht am vorhersehbaren Handlungsablauf, den seltsamen Moralvorstellungen oder der rückständigen Pädagogik, die hier propagiert wird, dann kann Gillespies Komödie durchaus als unbeschwerte Unterhaltung funktionieren. Witzig, unterhaltsam und gut besetzt ist der Film in jedem Fall...

05/10

Meine Top 20 seit 1992

Vergesst die Auswahl von Quentin Tarantino, der seine Vorliebe für abseitiges Kino wohl ziemlich außen vor gelassen hat, als er neulich seine Favoriten seit 1992 zusammen stellte. "Battle Royale" als besten Film der letzten 17 Jahre? "The Matrix" überhaupt in den Top 20 und ehemalige Nummer 1? Als einzige handfeste Überraschung den dumm-primitiven "Friday" mit Ice Cube? Was ist nur los mit QT, der doch sonst ein so sicheres Händchen für Geheimtipps hat? Vielleicht ist es am Ende pure Berechnung, eine so konventionelle Auswahl zu treffen?

Hier meine eigene Auswahl, allerdings auf das amerikanische Kino beschränkt - eine umfangreichere Liste wäre mir im Augenblick zu mühevoll und aufwendig, vor allem, weil die nicht so lieblos sein sollte wie jene von QT. Übrigens habe ich "Speed" nach reiflicher Überlegung doch aufgenommen, was aber die einzige Inspiration bleibt, die ich Tarantinos Liste entnahm. Von jedem Regisseur darf bei mir übrigens nur jeweils ein Film auf die Liste. Ansonsten übernehme ich die Struktur der Liste, indem ich einen Spitzentreiter als Lieblingsfilm heraus hebe und die restlichen Filme ohne Platzierungen aufliste. Viele Überraschungen habe aber auch ich nicht in petto aber dafür noch ein paar Sonderfälle berücksichtigt... ;)

Numero uno:

Harry außer sich (Woody Allen, 1997)


Der Rest:

Adaption (Spike Jonze, 2002)
Auf engstem Raum (Spike Lee, 1996)
Basic Instinct (Paul Verhoeven, 1992)
Before Sunrise (Richard Linklater, 1995)
Big Fish (Tim Burton, 2003)
The Big Lebowski (Joel & Ethan Coen, 1998)
Boogie Nights (Paul Thomas Anderson)
Brokeback Mountain (Ang Lee, 2005)
Broken Flowers (Jim Jarmusch, 2005)
Delirious (Tom DiCillo, 2006)
Dem Himmel so fern (Todd Haynes, 2002)
Fight Club (David Fincher, 1999)
Inglorious Basterds (Quentin Tarantino, 2009)
Kids (Larry Clark, 1995)
Kleine Sünden unter Brüdern (Edward Burns, 1995)
Lake of Fire (Tony Kaye, 2006)
Menace II Society (The Hughes Brothers, 1993)
Speed (Jan de Bont, 1994)
Terror Firmer (Lloyd Kaufman, 1999)

Knapp daneben, sollen aber trotzdem nicht unerwähnt bleiben:

Cold Blooded (Wallace Wolodarsky, 1995)
Happiness (Todd Solondz, 1998)
Jerry Maguire (Cameron Crowe, 1996)
Verrückt nach Mary (Peter & Bobby Farrelly)

Außer Konkurrenz:

Die besten amerikanischen Pornofilme der letzten 17 Jahre

The Fashionistas (John Stagliano, 2002)
Klimaxx (Kris Kramski, 1997)
Misty Beethoven: The Musical (Veronica Hart, 2004)
Neu Wave Hookers (Eon McKai, 2006)
New Wave Hookers 5 (Michael Ninn, 1997)
Paris Chic (Andrew Blake, 1997)
Space Nuts (Jonathan Morgan, 2003)
Zazel - der Duft der Liebe (Philip Mond, 1997)

Mein liebster amerikanischer Animations-Kurzfilm seit 1992

The Fan and The Flower (Bill Plympton, 2005)

Hier Tarantinos dürftig begründete Aufzählung:



Meinen Dank an die Kollegen von The Gaffer, die mich erst auf das Video aufmerksam machten.