Mittwoch, 1. Juli 2009

Filmtagebuch: Neuer Deutscher Film (II)



Sommersturm (2004)
Der bisher wohl beste Film von Marco Kreuzpaintner, der in den letzten Jahren eine beachtliche Karriereentwicklung durchgemacht hat. Noch vor seinem USA-Ausflug „Trade“ und dem hoch produzierten Schrottfilm „Krabat“ inszenierte Kreuzpaintner mit „Sommersturm“ einen sehr persönlichen Film, da er autobiografische Züge trägt und auch von den Coming-Out-Erfahrungen des Regisseurs erzählt. Dank einfühlsamer und frischer Darsteller und einer geschickt zwischen Humor und Ernsthaftigkeit tangierenden Dramaturgie, die es gegen Ende dann aber zu gut meint mit symbolbehafteten Bildkompositionen. Fast jedes Bild ist geschickt digitalisiert, dennoch kommt der Film ästhetisch kaum über besser produzierte Fernsehkost hinaus. Mit einigen Abstrichen sehenswert...(06/10)

Schwere Jungs (2007)
Die bayerische Variation des Komödien-Hits „Cool Runnings“ versprüht jede Menge Lokalkolorit und bietet unverfälschte Charakterzeichnungen sowie einen geduldig entwickelten Handungsbogen. Mit den Klischees des Sportfilms spielt „Schwere Jungs“ allerdings nur selten, belässt es bei einer recht konventionellen Durchstarter-Story, die auf wahren Begebenheiten fußt, ohne das ich hier beurteilen will, inwiefern das überhaupt eine Rolle spielt. Der kernige Witz und die hervorragende Besetzung inklusive Gaststar Bastian Pastewka sorgen dann für einen positiven Eindruck, der nur leicht durch die unbeholfen gefilmten Sport-Sequenzen verwässert wird...(6,5/10)

Märzmelodie (2008)
Der perfekte Sommerfilm. Eine romantische Komödie mit leicht bittersüßer Note und besonderem Kunstgriff. Wie in einem Jukebox-Musical werden bekannte Pop- und Rocksongs in die Dialoge eingeflochten, ohne das aber Genre-Regeln befolgt werden. Die Figuren singen nicht mit eigener Stimme, es erklingt an den entsprechenden Stellen der Originalsong – was dazu führt, das die jeweilige Figur mit unterschiedlichen Stimmen singt. Zudem werden nur ausdrucksstarke und perfekt in die Situation gestreute Schnipsel gesungen, meist als Folge eines Gefühlsausbruchs. Die Musik fängt an, wo die Worte eigentlich aufhören – dieses clever verwendete Stilmittel sorgt für eine Dynamik, für kurzweilige Unterhaltung, die so charmant ist, das auch seichtere Wendungen dem Film niemals den Zauber rauben. Formal relativ einmalig im deutschsprachigen Raum, überrascht vor allem die unbeschwerte Leichtigkeit, mit der Regisseur Martin Walz seine „Märzmelodie“ erklingen lässt...(08/10)

Solino (2002)
Fatih Akin spannt in seiner Einwanderer-Familienchronik einen breiten zeitlichen Bogen, der fesselndes Einzelschicksal subtil vor der Kulisse jüngerer deutscher Geschichte ablaufen lässt. Der ganz lange Atem zum Meisterwerk fehlt dem Film noch, insbesondere in der Gewichtung einzelner Zeitabschnitte. Dennoch gelingt Akin ein glaubwürdiges Porträt der Lebensbedingungen von Immigranten in den 60er-80er-Jahren, vergisst aber nie die dichte Handlung mit Humor aufzulockern, der sich nie anbiedert sondern ganz natürlich zu facettenreichen Gesamtwerk passt. Neben diesen Aspekten erzählt „Solino“ auch von der Liebe zum Kino, von der Hingabe an das Medium Film und um die Leidenschaft, die ein Künstler zum kreativen Schaffensprozess benötigt. Auch in seinen traurigen Szenen bleibt der Film nüchtern, realistisch aber immer lebendig und lebensbejahend. Eine Ode an das Leben, die Lust und den Film. Allgemein propagierte familiäre Werte beleuchtet Akin dabei eher kritisch und pessimistisch, doch auch nicht ohne Hoffnung...(8,5/10)



Sommer vorm Balkon (2005)
Noch vor dem beherzten „Wolke 9“ gelang Andreas Dresen dieser Geniestreich. Bei aller Realitätsnähe ödet der Film nie an, verbindet scheinbar mühelos schwermütige Melancholie mit herzerfrischender Komik, ganz ohne Kopflastigkeit oder eine aufdringlich-“wichtige“ Moral. Den Kern dieses einfachen und doch so komplexen Meisterstücks zu erfassen, ist nicht leicht und noch schwerer in Worte zu fassen. Wer sich aber auf den ruhigen und aufrichtig ehrlichen Film einlassen kann, findet unter den oberflächlich als Banalitäten erscheinenden Eckpunkten der Handlung echtes menschliches Drama, wie aus dem Leben gegriffen – auch wenn das abgedroschen klingt. Nur selten vermag Kino so etwas derartig authentisch abzubilden und erlebbar zu machen; nicht einmal den berühmten Dogma-Filmen gelingt dies besser...(9,5/10)


Harte Jungs (2000)
Knallharte Jungs (2002)
Nur ganz kurz, hab die Filme auch nur nebenbei laufen gehabt weil sie zufällig im Fernsehen liefen. Auch ohne diesen Rotz aufmerksam zu verfolgen, lässt sich sagen, das solche Filme den schlechten Ruf des deutschen Humors untermauern. Alberne Zoten, geschmackloser „Humor“, abgrundtief verlogene Klischeebilder und ganz ganz schlechte darstellerische Leistungen positionieren schon den ersten Teil in die unterste Schublade. Das Fremdschämen kann im Nachfolger dann tatsächlich noch etwas angehoben werden, auch wenn die unglaubwürige, sexistische und einfach zum Kotzen unkomische Travestie-Komödie sich als Abklatsch von Teenie-Schrott wie „Eis am Stiel – Hasenjagd“ gibt. Eine als potthässliche Frau verkleidete fette Sau, verschmierte Körperflüssigkeiten, sprechende Pimmel und dergleichen sind einfach nicht komisch. Es sei denn sie kommen aus dem Hause Troma aber das ist eine andere Baustelle, die sich deutlich mehr zu beackern lohnt als bodenloser Schwachsinn wie „Harte Jungs“. Diese beiden Machwerke sind schlichtweg desaströse Peinlichkeiten von epischem Ausmaß und nicht einmal ansatzweise als Trash goutierbar...(natürlich 01/10 in beiden Fällen)

Kurzfilme:



Tramper (2004)
Die beklemmende Grundsituation, die vor den Credits mit einem kleinen Paukenschlag eingeläutet wird, ist für jeden Zuschauer greif- und vorstellbar. Geschickt spielt der Film mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, verfügt dank cleverer Kameraführung über eine dichte Atmosphäre. Auf diversen Festivals gefeiert, zielt „Tramper“ (für einen Kurzfilm aber durchaus in Ordnung) auf den bloßen Effekt ab und setzt mit dem finalen Twist einen markanten Schlusspunkt.(07/10)

Spielerfrauen (2006)
Kurzfilm von Martin Walz, enthalten im Bonusmaterial auf der DVD zu „Märzmelodie“ - ein amüsanter Spaß, der schnell vorbei ist und keine sonderliche Wirkung hinterlässt. In einer einzigen Einstellung gedreht, können die gepfefferten Dialoge überzeugen. Auch die Grundidee, drei gelangweilte Frauen von Fußballstars dabei zu zeigen, wie sie das Spiel ihrer Männer verfolgen, kann als originell durchgehen und verarbeitet damit leicht sarkastisch die allgemeine Fußball-Euphorie: Gerade die Gattinnen, die am nächsten dran sind und von Ruhm und Reichtum profitieren, haben keinerlei Herz für den deutschen Volkssport Nummer Eins. Vergnüglich, aber ebenso schnell vergessen wie angeschaut...(05/10)

Spielzeugland (2007)
Der diesjährige Oscar-Gewinner der Kategorie „Bester Kurzfilm“ entpuppt sich als bleischwere, dabei aber schlichte und banale Holocaust-Geschichte. Konsequent aus der kindlichen Perspektive gedreht und mit einer gewissen inszenatorischen Leichtigkeit versehen, hätte aus dem parabelhaften Stoff durchaus etwas werden können. Ohne jede erzählerische Flüssigkeit vegetiert der Film über seine bescheidene Laufzeit dahin und dabei sind die wenig überzeugenden Kinderdarsteller noch das geringste Problem. Der Film begegnet seinem Thema konventionell und schleppt sich zu einem extrem vorhersehbaren Ende, dessen humanistischer Anstrich zwar bestimmt gut ankommt, dem aber jegliche Glaubwürdigkeit fehlt...(04/10)

9 Kommentare:

  1. kann man so stehen lassen, auch wenn ich Solino nicht so gut in Erinnerung habe.

    Für die nächste Sichtung vielleicht mal "Urlaub vom Leben" versuchen

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  2. Ich war völlig eingenommen von "Solino" und die vielen Schöneitsfehler tragen imo stark zum Charme bei. Weswegen hat er dir nicht zugesagt?

    "Urlaub vom Leben" ist notiert, danke für die Empfehlung. Sowas ist immer willkommen... ;)

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  3. liegt zum einen an Bleibtreu, den ich so nicht ab kann, wobei er durchaus erträglich ist, in dem Film. Mir war er ein wenig zu unstrait,. da fehlte die Stringenz, das dümpelte alles so vor sich hin. Leider, da ich die Art und auch das Thema durchaus mag.

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  4. Sommer vorm Balkon - ein tatsächlich wunderbarer, großartiger Film!

    Guter Vergleich mit den Dogma Sachen; tatsächlich schafft es Dresen, noch einen Tick mehr aus diesem Ansatz rauszukitzeln...auch weil Humor und Gefühl ihren berechtigten Platz einnehmen können.

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  5. bis auf Spielzeugland kenn ich sonst gar nix von denen..

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  6. "Sommer vorm Balkon" war quasi eine Empfehlung von dir - indirekt über einen Beitrag im Gemeinschaftsforum.

    "Märzmelodie" und "Solino" solltest du noch anschauen, den Rest kannste dir schenken. :)

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  7. na das freut mich aber :)

    Solino wollt ich eh schon oft sehen, Akin gefällt mir immer. is sich aber bisher nie recht ausgegangen.

    Von Märzmelodie hab ich ehrlich gesagt noch gar nix gehört, jetzt ist er mal abgespeichert! :)

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  8. "Solino" hat mir bisher am besten gefallen von Akin, habe aber "Auf der anderen Seite" noch nicht gesehen...

    "Märzmelodie" ist ziemlich untergegangen - drauf gekommen bin ich durch die viel versprechende Kritik von McKenzie in der ofdb (09/10)...

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  9. @JMK:

    "Solino" fehlt es ein wenig an erzählerischer Dichte, das möchte ich einräumen. Und Bleibtreu hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich kein großer Fan von ihm bin...

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